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Politik: … Bombenstimmung aufkommt

Zeit für Gefühle, hat sich eine 52-jährige Münchnerin wahrscheinlich gedacht und in ihrer Freizeit täuschend echte Bombenattrappen gebastelt, auf dass die Deutschen in ihren Zügen und Bahnhöfen auch mal eine reelle Chance hätten, eine ähnliche Angst zu verspüren, wie sonst nur die Menschen in den Kriegsgebieten im Nahen Osten. Ein derart ambitioniertes Projekt interkultureller Annäherung gab es schon lange nicht mehr, im Prinzip seit den Zeiten von „Ali“ Wallraff nicht, der seinerzeit mithilfe eines imposanten Schnauzbartes sich investigativ in die Parallelwelt der in Deutschland untenrum malochenden Türken begeben hatte.

Zeit für Gefühle, hat sich eine 52-jährige Münchnerin wahrscheinlich gedacht und in ihrer Freizeit täuschend echte Bombenattrappen gebastelt, auf dass die Deutschen in ihren Zügen und Bahnhöfen auch mal eine reelle Chance hätten, eine ähnliche Angst zu verspüren, wie sonst nur die Menschen in den Kriegsgebieten im Nahen Osten. Ein derart ambitioniertes Projekt interkultureller Annäherung gab es schon lange nicht mehr, im Prinzip seit den Zeiten von „Ali“ Wallraff nicht, der seinerzeit mithilfe eines imposanten Schnauzbartes sich investigativ in die Parallelwelt der in Deutschland untenrum malochenden Türken begeben hatte. Wallraff hat ein Buch daraus gemacht, von dessen Cover er situativ angemessen traurig guckt. Unsere revolutionäre Heimwerkerin aber muss womöglich in den Knast, was genau genommen noch eine Spur weniger lustig ist. Fazit: Die Zeiten haben sich geändert – und dass sie nun wahnsinnig humorvoll geworden wären, kann man auch nicht gerade behaupten.

Bitte, das ist hier jetzt alles etwas flapsig und auf die Schnelle dahin geschrieben, zumal die Polizei noch am Rechnen ist, wie die durch die Zugumleitungen und Ausfälle entstandenen Schäden pekuniär zu bewerten sind. Da ist man schnell im sechsstelligen Bereich, und wenn man das bedenkt, dann wäre es womöglich für unsere sendungsbewusste Bastelfreundin weit günstiger gekommen, jene alte Indianerweisheit als Sticker neu aufzulegen, die da lautet: „Beurteile nie einen Menschen, bevor du nicht mindestens einen halben Mond lang seine Mokassins getragen hast.“ Zu „Ali“ Wallraffs Undercover-Zeiten pappte der Spruch praktisch an jeder zweiten verbeulten Stoßstange – es war ein feinsinniger Aufruf, im Alltagseinerlei mehr Toleranz walten zu lassen, der irgendwann später dann, mutmaßlich von der Schuhindustrie, torpediert wurde. Die Sticker jedenfalls sind so gut wie verschwunden. Für Toleranz interessieren sich nur noch wenige, schon gar, wenn sie derart altbacken daherkommt. Allenthalben heißt es: Der Indianer kennt keinen Scherz! Oder auch: Indianer kennen sich im Nahen Osten nicht besonders gut aus.

Aber wer kann das von sich schon behaupten?

Unsere Bombenattrappenbastlerin ist erwischt worden, weil sie es nicht beim Basteln bewenden hat lassen, sondern Protestschreiben an Nato-Einrichtungen verschickte, dies allerdings in fehlerhaftem Englisch. Auf Seite 8 finden Sie heute ein höchst lesenswertes Plädoyer, deutsche Kinder aus Wettbewerbsgründen schon frühzeitig an diese Sprache heranzuführen. Man sollte aber bedenken: Für den Staatsschutz wird’s dann nicht unbedingt leichter! Vbn

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