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Politik: … der letzte Entdecker Geburtstag hat

Entdecker haben es heute auch nicht leicht. Was gibt es schon noch zu entdecken?

Entdecker haben es heute auch nicht leicht. Was gibt es schon noch zu entdecken? Irgendwelche Quarkse in der DNA vielleicht. Oder noch eine Primzahl. Aber die bringt uns keinen Spaß. Insgesamt ist Entdecken ziemlich pieselig geworden, Entdecken ist zu einem Job für Laboranten verkümmert.

Reinhold Messner wird heute sechzig Jahre alt. Eigentlich trifft sich das gut, denn dieser Tage wird auch Alexander von Humboldt groß umjubelt. Wenn Messner ungefähr vor 200 Jahren gelebt hätte, würde er heute auch als großer Weltenentdecker gefeiert. So aber lobt man nur seine Grenzüberschreitungen. Pech gehabt.

Für Humboldt war das Entdecken noch vergnüglich. Der zog einfach los in die Welt mit Gehrock und in Stulpenstiefeln, die Botanisiertrommel unter dem einen Arm und das Schmetterlingsnetz unter dem anderen. Und wenn er was entdeckte, was die Welt noch nicht kannte, sagte er: „Heißa, jetzt habe ich den Gletscherfloh entdeckt. Ich nenne ihn Desoria glacialis.“ Oder: „Klasse, endlich habe ich den Humboldtpinguin gefunden.“ Und: „Schau an, wer hätte gedacht, dass der Orinoco und der Amazonas eine Verbindung haben.“ Wo Humboldt auch hintrat und hinschaute, überall gab es etwas zu entdecken, wofür ihm die Menschheit dankte. Als Reinhold Messner den K 2 oder Mount Everest hochkraxelte, sagte die Menschheit nur: „Respekt, aber das kennen wir schon.“ Nicht mal, als Messner den Yeti getroffen hatte, brach Jubel aus. Alle sagten bloß: „Ja, ja, ist klar, Reinhold. Der Yeti.“

Messner aber machte weiter. Immer weiter. Wenn die Welt den Mount Everest schon kannte, bitte schön, dann ging er eben ohne Sauerstoffgerät rauf, sozusagen in Stulpenstiefeln und im Gehrock. Auf diese Weise durchschritt er auch die Antarktis. Dann stapfte er ganz alleine die Berge rauf. Alle Berge. Alle 14 Achttausender. „Ich will das Abenteuer so haben, wie es um die Jahrhundertwende war“, sagte er einmal. Der Erkenntnisgewinn blieb trotzdem gering. In dem Punkt ähnelt Messner einem anderen berühmten Bergsteiger: Sisyphos.

Seit Albert Camus sich über Sisyphos Gedanken gemacht hat, wissen wir, dass er ein glücklicher Mensch gewesen sein muss. Weil er immer weiter seiner absurden Tätigkeit nachging. Vereinfacht gesagt ist der Sinn des Ganzen das Tun, nicht das Ziel. Erich Kästner hat das auch so empfunden und gesagt: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.“ Messner lebt danach. Wir müssen uns Reinhold Messner als einen glücklichen Menschen vorstellen.uem

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