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Politik: … der Spargel nicht mehr lustig quietscht

Den echten Beelitzer Spargel, sagt der Chef des Beelitzer Spargelvereins, erkennt man daran, dass die Stangen beim Aneinanderreiben lustig und laut quietschen. Es ist ein Ton, den man sonst nur von Verona Feldbusch kennt.

Den echten Beelitzer Spargel, sagt der Chef des Beelitzer Spargelvereins, erkennt man daran, dass die Stangen beim Aneinanderreiben lustig und laut quietschen. Es ist ein Ton, den man sonst nur von Verona Feldbusch kennt. Vielleicht freut sich der Spargel, wenn er quietscht, dass er endlich raus ist aus der dunklen Erde. Vielleicht juchzt er, weil er weiß, dass er bald viel verdienen wird (natürlich nur für den Spargelbauern, aber dieses Ausbeutungsverhältnis überblickt der zarte Spargel noch nicht so ganz). Eventuell aber quietscht der Spargel, weil er sich auf einen besonderen Besuch freut, auf Leute, die für ihn alles tun würden. Wer versteht schon das Seelenleben des Spargels?

Es ist so: Die gestochenen Spargel von Beelitz stehen in der Mittagspause unbeaufsichtigt am Feldrand. Brandenburger, scharf auf Spargel, fahren mit ihren Autos vor, laden die Kisten ein... und machen sich ohne zu bezahlen davon. In Klaistow gehen schon Patrouillen, um den Spargel vor Mundräubern zu schützen. Man könnte auch sagen, der Spargel wird eingesperrt. Hat sich schon mal jemand überlegt, wie es dem Spargel dabei geht? Und was die Mundräuber für ihre Spargelliebe riskieren?

Mundraub gibt es heute im Strafgesetzbuch gar nicht mehr. Bestraft würde der Täter wohl für „Diebstahl geringwertiger Sachen“ – und das auch nur, wenn der Bauer einen Antrag stellt. Macht er das, bekommt der Strolch höchstens eine Geldstrafe. Vielleicht wird das Verfahren auch eingestellt.

Und wenn die Diebe wiederkommen? Dann werden Männer in Uniform brüllen: „Stopp! Spargelschutz!“ Und der Spargel, krumm vor Kummer, weil er keinen lieben Besuch mehr bekommt, wird in den Körben liegen und auf seinen massenhaften Abtransport warten. Aus den Lastern auf dem Weg nach Köln und Singapur wird ein trauriges Spargelquietschen zu hören sein.

Der berühmteste Mundräuber der Literatur ist übrigens Jean Valjean, Victor Hugos Held aus „Les Misérables“. Er musste, weil er für die hungrigen Kinder seiner Schwester Brot gestohlen hatte, noch auf die Galeere, ganze 19 Jahre lang. Ganz anders nach dem Zweiten Weltkrieg, da sagte man, wenn jemand mundräuberte: „Er fringst.“ Denn der Kölner Erzbischof Frings hatte gepredigt: Gott bestraft nicht, wenn einer aus Not klaut.

Die Polizei weiß noch nichts über die Motive der Spargeldiebe. Könnte ja sein, dass sie nur Hunger haben. Dann stellen sie sich ein bisschen dumm an. 100 Gramm Spargel haben ganze 18 Kalorien. Spargel besteht zu 90 Prozent aus Wasser. Wer soll davon satt werden?tst

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