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Politik: ... der Staat die Zocker schützt

Der Staat ist um seinen Job wirklich nicht zu beneiden. Dabei ist er ja nichts anderes als wir alle zusammen.

Der Staat ist um seinen Job wirklich nicht zu beneiden. Dabei ist er ja nichts anderes als wir alle zusammen. Aber immer, wenn es drauf ankommt, will er genau das Gegenteil von dem, was wir wollen. Dieser tragische Zielkonflikt bestimmt unser Leben praktisch seit der Bronzezeit: Wir würden gern saufen bis zum Abwinken und anschließend mit 200 heimwärts fahren, wir würden unser Schwarzgeld gern in Potsdam lagern statt auf den Cayman Islands und den Rest beim illegalen Buchmacher in der nächsten Kneipe verzocken. Ist aber alles verboten!

Der Staat kann einfach nicht anders. Er muss unser Verhalten lenken, und er bedient sich dazu verschiedener Instrumente. Das Verbot ist eines davon: Mord ist verboten. Ein anderes Instrument ist die Steuer. Es wäre also denkbar, Mord nicht in Bausch und Bogen zu verbieten, sondern mit einer angemessen hohen Steuer zu belegen. Das würde das legale Morden in gewissen Grenzen halten und dem Staat hübsche Zusatzeinnahmen bescheren – er käme davon allerdings nie wieder herunter.

Das Beispiel ist eventuell ein wenig an den Haaren herbeigezogen. Aber wie ist es beim Zocken? Die Spielsucht ist ein Leiden wie Alkohol- oder Drogensucht, aber je mehr wir ihr nachgeben, umso besser geht es dem Staat. Die Berliner Philharmoniker wären ohne Lottogelder bald nur noch eine Kurkapelle, der Vereinssport eine leere Hülle; die staatliche Wettannahme hat inzwischen doppelt so viele Filialen wie die Post.

Naive Menschen schließen daraus, der Staat fördere aus Eigennutz die Spielsucht, aber das ist, wir ahnen es, ganz und gar falsch. Im Gegenteil! „Das staatliche Wettangebot“, so formulierte jetzt der bayerische Innenstaatssekretär Schmid, „dient der Eindämmung und Kanalisierung des Spieltriebs der Bevölkerung“.

Wenn also das Verfassungsgericht demnächst dennoch das Staatsmonopol auf Sportwetten aufhebt, so folgern wir, dann brechen alle Dämme: Der Spieltrieb der Bevölkerung ergießt sich in Kasinos und Bruchbruden, reißt Pferderennbahnen, Tennisplätze und Billardhallen in einen Strudel der Gewinnsucht, kurz: Der Fluch der Privatisierung überwölbt das vorher so friedfertige und sozialverträgliche Zocken – Hoyzer, flächendeckend.

Will uns Herr Schmid davor retten? Oder doch nur die Einnahmen des Freistaats Bayern maximieren? Wie auch immer das Verfassungsgericht entscheidet: Die Steuern werden trotzdem erhöht, von dieser Regierung und der nächsten, egal, was im Wahlkampf so alles versprochen wurde. Darauf können wir wetten, mit staatlicher Billigung. Oder auch ohne. bm

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