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Politik: … die Medaille zwei Seiten hat

Im sizilianischen Sciacca sind dieser Tage Heiligenbildchen aufgetaucht – und das ist für sich genommen in etwa so ungewöhnlich, wie die Feststellung, dass gestern die Spree durch Berlin geflossen ist. Wie man weiß, schaut der Sizilianer, wenn er nicht umständehalber gerade einem anderen ein Angebot macht, dass dieser nicht ablehnen kann, sich in seiner Freizeit nichts so gerne an wie Heiligenbildchen.

Im sizilianischen Sciacca sind dieser Tage Heiligenbildchen aufgetaucht – und das ist für sich genommen in etwa so ungewöhnlich, wie die Feststellung, dass gestern die Spree durch Berlin geflossen ist. Wie man weiß, schaut der Sizilianer, wenn er nicht umständehalber gerade einem anderen ein Angebot macht, dass dieser nicht ablehnen kann, sich in seiner Freizeit nichts so gerne an wie Heiligenbildchen. Es gibt in unserem Kulturkreis ja auch wenig Unverfänglicheres, als die in kräftigen Farben entworfenen, ans Herz gehenden Motive, zumal, wenn sie von frömmelnden Ordensschwestern unter die Leute gebracht werden. So war das schließlich in Sciacca. Und hätten sie es dort unten beim Anblick der Bildchen bewenden lassen, bitte, wir hätten das auch getan.

Wahrscheinlich liegt es an den derzeit stattfindenden Olympischen Winterspielen in Turin, dass unsereiner hier bei der Bewertung des in Sciacca geschehenen Vorfalls an dem binsenweisheitlichen Satz nicht vorbeikommt, wonach jede Medaille ihre zwei Seiten habe. Im Fall der Heiligenbildchen ist die Rückseite die bei weitem interessantere. Dort nämlich findet sich ein eindringlicher Anruf an die Mutter Gottes: „Maria, erwirke von Gott den Triumph des Guten, die Befreiung vom Bösen, vom Kommunismus und vom Marxismus.“

Ein wackeres Anliegen, fürwahr, nur weitgehend bereits erledigt, oder? Weswegen der örtliche Priester Alfonso Tortorici sogleich die Vermutung äußerte, dass es sich bei der Fürbitte um ein unachtsam nachgedrucktes Gebet aus dem 50er Jahren gehandelt haben müsse. Ein bisschen Don-Camillo-Prosa also, ein subversiver Scherz, rübergerettet in das Italien des Silvio Berlusconi. Ist das glaubhaft? Kaum.

Ach, leider sind wir doch unserer Naivität nachhaltig verlustig gegangen im täglichen Kampf der Kulturen, diesem hyperaktiven Gerangel um Bilder, das mittlerweile auch deren Rückseite erfasst zu haben scheint. Platz – das ist offenkundig die verschlüsselte Botschaft von Sciacca – ist hinter dem kleinsten Bildchen, nutze ihn!

Auf Sizilien versucht man nun, wie ehedem, Gras über die Sache wachsen zu lassen. In Deutschland aber sollten, schon aus Sicherheitsgründen und wegen der bevorstehenden WM, umgehend Schutzmaßnahmen erwogen werden. Am besten macht man sich im Innenministerium schon mal Gedanken über ein Verbot von Fußball- Klebebildchen. Vbn

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