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Politik: ... die Vormerkelzeit begann

Heute morgen haben wir uns wie immer die Zähne geputzt und gegurgelt, danach haben wir an Angela Merkel gedacht. Das hat man ja nun in der Zeitung gelesen, und im Fernsehen sagen sie es auch: Die Bundespräsidentenwahl ist „ein Stück Machtwechsel“.

Heute morgen haben wir uns wie immer die Zähne geputzt und gegurgelt, danach haben wir an Angela Merkel gedacht. Das hat man ja nun in der Zeitung gelesen, und im Fernsehen sagen sie es auch: Die Bundespräsidentenwahl ist „ein Stück Machtwechsel“. Ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Bundeskanzlerin Merkel. Ab heute beginnt sozusagen „ein Stück neue Epoche“. Wir leben jetzt in der Vormerkelzeit.

Die letzte deutsche Epoche, die ein „Vor“ im Titel hatte, war der Vormärz. Das ist so ungefähr die Zeit zwischen 1830 und 1848 gewesen. Die Vertreter des Vormärz waren, wie Angela Merkel, gegen Kitsch und romantisches Gesülze. Sie sagten: „Wir müssen die Realitäten sehen.“ In Deutschland herrschte Armut, zahlreiche Unternehmer und Erfinder wanderten aus. Der preußische Innenminister war ein beinharter Typ. Die Vormärzleute oder auch Jungdeutschen forderten, dass alles liberaler wird. Ha! Da lachte der preußische Innenminister sich fast zu Tode.

Interessanterweise ist auf den Vormärz gar kein richtiger März gefolgt. Im März 1848 begann eine Revolution, die scheiterte. Die alte Regierung war stärker. Wieso eigentlich? Dazu gibt es eine neuere Studie, entstanden an der Oregon State University. Die Forscher sagen: „Der Vormärz hatte keine klare politische Linie.“ Es war unmöglich, zu sagen, was die Vormärzleute eigentlich konkret wollten, denn jeder erzählte einem etwas anderes. Okay, sie waren liberal, gegen alles, was das Wachstum hemmt und dafür, dass sie selber an die Macht kommen. Genauer konnten sie es nicht ausdrücken. Das wäre aber ein Stück weit nötig gewesen, um für das gemeine Volk sexy zu wirken.

Angela Merkel ist unheimlich vorsichtig. Der letzte deutsche Politiker, der so vorsichtig war, hieß Hans-Dietrich Genscher. Das erste Interview mit Angela Merkel als Bundeskanzlerin geht so: „Was bedeutet ihnen ihre Kanzlerschaft?“ „Es ist der Höhepunkt in meiner Laufbahn.“ „Oppositionschefin ist ja auch ein ätzender Job, oder.“ „Ich habe auch in meinen alten Job viel investiert. Ich gehe nicht gerne, wenn ich an meine Mitarbeiter denke.“ „Warum muß man in der Vormerkelzeit immer so tun, als ob man eigentlich gar nicht Kanzlerin werden will?“ „So ist das nun mal.“

Das waren jetzt alles Originalantworten aus einem gerade erschienenen Interview mit Felix Magath, dem neuen Trainer von Bayern München. In München leben sie in der Vormagathzeit. In diesem Land haben übrigens 93 Prozent der Führungskräfte Angst davor, beim Gurgeln zu ertrinken. mrt

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