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Politik: … Entlassung produktiv ist

Das Unwort des Jahres 2005 kennt praktisch kein Mensch, nicht mal die Betroffenen. Man könnte so durch die Straßen gehen, sagt mal hier Entlassungsproduktivität, dort Entlassungsproduktivität, und erntet in 19 von 20 Fällen nur ein „Was issen das?

Das Unwort des Jahres 2005 kennt praktisch kein Mensch, nicht mal die Betroffenen. Man könnte so durch die Straßen gehen, sagt mal hier Entlassungsproduktivität, dort Entlassungsproduktivität, und erntet in 19 von 20 Fällen nur ein „Was issen das?“ Man könnte sagen, dass das Wort Entlassungsproduktivität eine äußerst geringe Popularitätskapazität hat. Hey, Popularitätskapazität, wäre das nichts fürs Unwort 2006? Nur so ein Vorschlag.

Zurück zur Entlassungsproduktivität. Das Wort hat den Vorteil, dass es schön lang ist. Man muss es nur ein paar Mal hinschreiben, schon sind die Zeilen gefüllt, und man kann nach Hause gehen. Aber man muss schließlich auch sagen, was Fakt ist: Eine unabhängige Jury von Sprachwissenschaftlern hat Entlassungsproduktivität zum Unwort des Jahres gekürt. Gemeint ist damit die Steigerung der Produktivität, wenn zuvor einige Mitarbeiter entlassen wurden, weil weniger mehr schaffen als alle. Manchmal.

Die Jury hat kritisiert, dass Entlassungsproduktivität einfach die Mehrbelastung der Dagebliebenen verschleiert. Das muss aber nicht sein. Nehmen wir ein jedermann geläufiges Beispiel aus dem privaten Haushalt. Eine vierköpfige Familie: vier Suppen, vier Mal Spaghetti Bolognese, acht schmutzige Teller, vier Gläser, auch schmutzig. Danach beim Abwasch: Einer spült ab, zwei trocknen, einer räumt weg. Wenn jetzt einer aus der Familie ein Suppenkaspar ist, einer, der immer mäkelt, schmeckt nicht, esse ich nicht, will ich nicht, dann wird der in sein Zimmer geschickt. Das ist Entlassungsproduktivität. Weil man dann ja nur noch für drei kochen muss, und für drei abspülen.

Oder noch besser: Eine Spülmaschine wird angeschafft. Es wird nur noch ein Hausangestellter benötigt, der räumt die Spülmaschine ein und wieder aus. Die anderen stehen nur rum und gucken zu, so wie die 30 000 Arbeiter, die beim Autohersteller Ford in Amerika rumstehen und nun gestrichen werden. Es ist klar, dass die restlichen 90 000 mit verbesserter Technik ebenso viele Fords herstellen. Oder, um im Beispiel zu bleiben, die Produktivität in der heimischen Küche ist natürlich erheblich gestiegen, wenn man die Familie entlässt. Die heimische Küche ist sozusagen sehr schön neoliberal geworden. Die Investition und die Betriebskosten für die Spülmaschine hat man schnell wieder drin, bei all den eingesparten Ausgaben für die Restfamilie. Blöde ist allerdings, dass man am Ende mit der Spülmaschine alleine dahockt.uem

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