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Politik: ... es nur Frieden geben kann, wenn Syrien unter Schiiten und Sunniten aufgeteilt wird?

Syrien war über Jahrhunderte geprägt von einem Gewebe aus interreligiöser und interkultureller Pluralität. Städte wie Aleppo und Damaskus galten als polyglotte Zentren für Sunniten, Schiiten, Christen und Drusen gleichermaßen.

Syrien war über Jahrhunderte geprägt von einem Gewebe aus interreligiöser und interkultureller Pluralität. Städte wie Aleppo und Damaskus galten als polyglotte Zentren für Sunniten, Schiiten, Christen und Drusen gleichermaßen. Erst mit dem Aufstieg von Hafez al Assad 1971 zum Alleinherrscher Syriens errang die Minderheit der Alawiten eine Schlüsselrolle in dem 1946 unabhängig gewordenen Staat. In Hama und Homs leben sie in eigenen Vierteln, die bislang von dem Bürgerkrieg weitgehend verschont geblieben sind.

Schon Ende der siebziger Jahre begehrten sunnitische Gruppen gegen die Herrschaft des Alawiten Hafez al Assad auf. 1977 und 1978 verübten radikale Muslimbrüder erste Terroranschläge, denen das Regime zunächst mit Polizeimethoden zu begegnen suchte. Nach dem spektakulären Massaker in der Militärakademie von Aleppo, dem im Juni 1979 mehr als 80 alawitische Kadetten zum Opfer fielen, schaltete die Regierung auf kompromisslose Härte um. Höhepunkt war 1982 der Angriff mit Panzern und Kampfflugzeugen auf die Stadt Hama. Drei Wochen dauerten die Kämpfe, durch die große Teile der Altstadt zerstört wurden. Etwa 1000 Soldaten starben, mindestens 10 000 Bewohner verloren ihr Leben. Sohn Baschar al Assad, der heutige Präsident, war damals Oberschüler am französisch-arabischen Gymnasium in Damaskus. Die Erfahrung der sunnitischen Terrorjahre 1977 bis 1982 grub sich tief ein in sein Bewusstsein und das der alawitischen Herrscherelite.

Die heutigen blutigen Kämpfe in ganz Syrien, die bereits mehr als 110 000 Menschen das Leben gekostet haben, tragen mittlerweile unübersehbare Züge eines Glaubenskriegs. Religiös-verächtliche Beschimpfungen sind üblich geworden. Sunniten titulieren ihre schiitischen Gegner als „Dreck“ und „Hunde“. Alawitische Soldaten beschimpfen sunnitische Rebellen als „Ratten“ oder „Beduinen“.

Nach zweieinhalb Jahren Bürgerkrieg scheint das Assad-Regime den Plan aufgegeben zu haben, die abtrünnigen Regionen im Norden und Osten Syriens zurückzuerobern. Stattdessen konzentriert sich der Diktator darauf, für sich und seine Getreuen ein alawitisch-schiitisch geprägtes Restsyrien um Tartus und Lattakia zu schaffen, was über die Korridorstädte Homs und Qusair mit der Hauptstadt Damaskus in Verbindung steht. Ob dies gelingt, ist fraglich. Und ob dies Frieden zwischen den inzwischen tief verfeindeten Glaubensgruppen bringen kann, noch viel fraglicher.

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