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Sicherungsverwahrung: Karlsruhe lehnt sofortige Freilassung ab

Das Bundesverfassungsgericht hat den Antrag eines Mörders auf sofortige Freilassung abgelehnt. Ein entsprechendes Urteil des Menschenrechtsgerichtshofs zur Sicherungsverwahrung ist nach Ansicht der Juristen nicht zu verallgemeinern.

Das Urteil des Menschenrechtsgerichtshofs zur nachträglichen Sicherungsverwahrung zwingt aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts nicht zur automatischen Freilassung betroffener Straftäter. Die Karlsruher Richter machten in einem am Dienstag veröffentlichten Beschluss erneut deutlich, dass in jedem Einzelfall eine Folgenabwägung zwischen dem Freiheitsinteresse des Betroffenen und dem Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit vorzunehmen ist.

Der Eilantrag eines im Jahr 1990 wegen versuchter Vergewaltigung und wegen Mordes verurteilten Sexualstraftäters, der seine sofortige Freilassung forderte, wurde abgelehnt. Gegen ihn hatte das Landgericht Baden-Baden im August 2009 die nachträgliche Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet, weil er weiterhin „hochgradig“ gefährlich sei. (AZ: 2 BvR 571/10)

Der Mann hatte sich in seinem Eilantrag auf das am 17. Dezember 2009 ergangene und inzwischen rechtskräftige Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) berufen. Der EGMR in Straßburg hatte entschieden, dass die Sicherungsverwahrung gegen einen 1986 verurteilten Schwerverbrecher aus Hessen nicht nachträglich hätte verlängert werden dürfen. Deutschland habe damit gegen die Europäische Menschrechtskonvention verstoßen. Dem hessischen Straftäter waren 50.000 Euro Schadenersatz zugesprochen worden.

Umstritten ist seitdem, ob das EGMR-Urteil eine unmittelbare Bindungswirkung in Deutschland hat und inwieweit nun weitere betroffene Straftäter freigelassen werden müssen. Das Verfassungsgericht hatte erst im Mai die sofortige Entlassung eines seit über zehn Jahren in Sicherungsverwahrung befindlichen Straftäters aus Rheinland-Pfalz abgelehnt.

Der Bundesgerichtshof hatte in einem im Juni veröffentlichten Beschluss von einer „neuen Rechtslage“ nach dem Straßburger Urteil gesprochen. Die Entscheidungen des EGMR seien „bei der Auslegung innerdeutschen Rechts zu berücksichtigen“, hieß es in dem Beschluss vom 12. Mai. Darin hatte der Bundesgerichtshof verfügt, dass ein 61-jähriger Schwerverbrecher mit sofortiger Wirkung aus einer nachträglich angeordneten Sicherungsverwahrung in der Justizvollzugsanstalt Saarbrücken entlassen wurde.

Das Bundesverfassungsgericht betonte nun, dass die durch das EGMR-Urteil „aufgeworfenen Rechtsfragen im Hauptsacheverfahren zu klären“ seien. Die Entscheidung über die zusammen mit dem Eilantrag eingelegte Verfassungsbeschwerde soll voraussichtlich im Herbst ergehen, wie eine Gerichtssprecherin sagte.

Die bei einem Eilantrag notwendige Folgenabwägung führe im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass eine sofortige Freilassung des Beschwerdeführers „nicht geboten“ sei. Das Verfassungsgericht betonte, dass das Landgericht auf Grundlage zweier psychiatrischer Gutachten nachvollziehbar dargelegt habe, dass der Beschwerdeführer einen Hang zu schweren Sexualstraftaten habe und solche Taten im Falle seiner Freilassung mit hoher Wahrscheinlichkeit verüben werde.

„Angesichts der besonderen Schwere der drohenden Straftaten überwiegt das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit das Interesse des Beschwerdeführers an der Wiedererlangung seiner persönlichen Freiheit“, betonte das Verfassungsgericht. (sf/ddp)

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