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Bundestags-Vizepräsidentin und Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckhardt verteidigt die Steuerpläne ihrer Partei - auch parteiintern.

© dpa

Vorwurf der Steuerbelastung für Mittelschicht-Familien: Göring-Eckardt: "35 Millionen Menschen zahlen weniger"

Spitzenkandidatin Göring-Eckardt verteidigt Steuerpläne – doch es gibt weiterhin Kritik aus der Partei. Die Sorge ist groß, dass Familien und Kleinunternehmen durch die neuen Steuerregelungen benachteiligt werden könnten. Auch über das Ehegattensplitting wird diskutiert.

Von Antje Sirleschtov

Die möglichen Belastungen von Familien der Mittelschicht und kleinen Unternehmen durch die geplanten Steuererhöhungen beschäftigen die Grünen weiter. Spitzenkandidatin Katrin Göring- Eckardt wies Darstellungen zurück, die Grünen würden Mittelschichtfamilien mit Steuererhöhungen belasten. „Viele, die jetzt aufheulen, vertreten gerade nicht die breite Masse der Bevölkerung“, sagte Göring-Eckardt dem Tagesspiegel. Das mittlere monatliche Einkommen in Deutschland betrage ungefähr 2400 Euro brutto. Mit den Grünen würden „35 Millionen Menschen weniger Steuern zahlen, also rund 90 Prozent der Einkommensteuerzahler“.

Insbesondere für Familien seien die Grünen-Pläne eine Weichenstellung und Unterstützung für Alleinerziehende und Geringverdiener. „Wir wollen zielgenau die Förderung von Kindern organisieren. Wir brauchen mehr und bessere Kinderbetreuung, und wir wollen Altersarmut von Frauen verhindern“, sagte Göring- Eckardt. Wer sich das Gesamtangebot der Partei zur Bundestagswahl anschaue, der stelle fest: Der Großteil aller Familien werde entlastet. Auch für Verheiratete gehe das Abschmelzen des Ehegattensplittings einher mit Entlastungen bei der Krankenversicherung und dem Einstieg in eine Kindergrundsicherung. Wenn beide Elternteile arbeiten und ähnlich viel Geld verdienen, seien die Vorteile des Splittings derzeit ohnehin gering.

Scheel fordert mehr Sensibilität

Die ehemalige Grünen-Bundestagsabgeordnete und Finanzexpertin Christine Scheel mahnte hingegen ihre Partei, die Kritik an den Steuerplänen ernster zu nehmen. Von der Grünen-Führung verlangte sie „mehr Sensibilität bei der Belastung des Mittelstandes“, und sie warnte explizit vor einer „Überforderung von Familien“.

Scheels Kritik entzündet sich dabei nicht an einer einzelnen Steuererhöhung. Sowohl die Vermögensabgabe als auch die Anhebung des Spitzensteuersatzes und die Reform des Ehegattensplittings seien „gut begründet“ und von den meisten Unterstützern der Grünen auch akzeptiert, sagte Scheel. Die Kombination allerdings schüre Unsicherheit und die Angst vor Überforderung. „Wenn man alle Steuererhöhungen zusammenzieht, dann glaubt niemand mehr, dass nur die Reichen betroffen sein werden“, sagte Scheel. Sie saß bis vor zwei Jahren für die Grünen im Bundestag. Danach wechselte sie in die Privatwirtschaft, heute ist sie selbstständig.

Mögliche Überforderung kleiner Unternehmen befürchtet

Ähnlich wie der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann und die Wirtschaftsexpertin der Grünen-Fraktion, Kerstin Andreae, kommt auch Scheel zu dem Ergebnis einer möglichen Überforderung kleiner Unternehmen. Weil 85 Prozent der deutschen Unternehmen über die Einkommensteuer wie Privatpersonen steuerlich behandelt werden, trifft sie nicht nur die Anhebung des Spitzensteuersatzes, sondern auch die geplante Abschaffung beziehungsweise Deckelung des Ehegattensplittings. „Wenn dann noch eine Vermögensabgabe bezahlt werden muss, ohne dass die Altersvorsorge der Kleinunternehmer erkennbar berücksichtigt wird, dann fühlen sich viele schnell unfair behandelt“, sagte Scheel und riet der Parteispitze zu einer „besseren Erklärung“ der Steuerpläne. Die meisten Selbstständigen, Kleinunternehmer und Freiberufler würden ihre Altersvorsorge über Investitionen in die Unternehmen, in Fonds oder Immobilien abdecken und fürchteten nun, diese Investitionen würden bei der Berechnung der Vermögensabgabe nicht berücksichtigt.

Die Familienpolitiker der Grünen wurden kurz nach dem Parteitag durch Berechnungen aufgeschreckt, nach denen eine Familie mit zwei Kindern bereits bei einem Bruttoeinkommen von 5151 Euro belastet wird. Bei näherer Betrachtung stimmt das zwar nur für den Sonderfall der Einverdienerehe. Wenn eine Familie mit zwei Kindern allerdings keine angemessene Kinderbetreuung besitzt, weshalb ein Elternteil zu Hause bleiben muss, oder von den geplant höheren Abgeltungssteuern betroffen ist, dann könnte die von den Grünen vorgesehene Belastung durchaus breitere Bevölkerungsschichten treffen. Die Familienpolitiker der Grünen wollen nun stärker darauf hinweisen, dass den Familien nicht nur Leistungen genommen, sondern durch die geplante Kindergrundsicherung auch Leistungen gegeben werden sollen.

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