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Politik: ...Werte wichtig werden (II)

Es ist kaum zu glauben, scheint aber wissenschaftlich bewiesen zu sein. Die Vorfahren der Deutschen, also die Germanen, wenn sie ihre Wisente jagten und das Wisent biss sie aus sachlich völlig berechtigter Todesangst in die Wade, oder wenn sie eine Hauzu-Keule schnitzten und ein Holzspliss spießte sich unter den Fingernagel, kurz und gut, wenn der Germane sich prähistorisch weh tat – dann rief er etwas Ähnliches wie: „Jam!

Es ist kaum zu glauben, scheint aber wissenschaftlich bewiesen zu sein. Die Vorfahren der Deutschen, also die Germanen, wenn sie ihre Wisente jagten und das Wisent biss sie aus sachlich völlig berechtigter Todesangst in die Wade, oder wenn sie eine Hauzu-Keule schnitzten und ein Holzspliss spießte sich unter den Fingernagel, kurz und gut, wenn der Germane sich prähistorisch weh tat – dann rief er etwas Ähnliches wie: „Jam! Jam!“ In Kluges Etymologischem Wörterbuch steht, das Wort „jammern“ sei lautmalerischer Natur und aus einem Klagelaut heraus entstanden. Der Klagelaut selber ist interessanterweise verschwunden, nur nicht im Englischen, wo es das Wort „Jam“ immer noch gibt. Es heißt dort „Marmelade“, denn englische Marmelade ist oft bitter, und die Vorfahren der Engländer, wenn sie zum ersten Mal diese grauenhaft bittere, fast schon ätzende Marmelade in den Mund bekamen, riefen verzweifelt: „Jam! Jam! Jam! Oh, Jam, bloody damned hell!“, so lange, bis Jam halt das offizielle Wort für Marmelade wurde.

Es wird von den Deutschenforschern sehr oft festgestellt, dass wir Deutschen von heute gern jammern. Jammern ist ein deutscher Grundwert. Wir vollbringen keine Taten. Wir gehen nicht entschlossen voran, rennen aber auch nicht furchtsam weg. Nein, wir bleiben einfach stehen, ungefähr wie ein Wisent, wenn es von einem starken Scheinwerfer angestrahlt wird. Wir stehen dann da, kneifen aber nicht, wie es früher immer im Turnunterricht hieß, die Arschbacken zusammen, oh nein, wir lassen die Arschbacken schlaff herunterhängen und ganz locker herumschlackern, tun den Mund auf und jammern mit so zirpenden Stimmchen wie Hobbits: „Ui, ui, ui!“ Das ist nicht schön. Das ist nicht sexy. Aber so sind wir. Was soll daran schlecht sein? Es ist doch auch irgendwie weise. Als Kind hat der Autor dieses Textes als Erstes „Mama“ gesagt, dann „Auto“ und als Drittes – Sie können alle Tanten fragen! – den Satz: „Das Leben ist hart.“ Das hörte man so oft von den Erwachsenen.

Gestern, wenn man die Zeitung „Welt“ aufschlug, sah man 16 Sonderseiten zum Thema „Lebensfreude“. Lebensfreude-Experten und leicht abgefuckte Dolce-Vita-Connaisseurs wie Gunter Sachs, Udo Jürgens oder Guido Westerwelle erklärten, warum das Leben schön ist. Der Chefredakteur, ein Schweizer, kann nicht wissen, wie deprimierend es auf Deutsche wirkt, wenn man ihnen erzählt, das Leben sei super.Wenn wir all die Jahre aus Irrtum gejammert hätten, das wäre ja furchtbar! Die Deutschen sind in Europa die Hobbits. Die Schweizer sind Orks.mrt

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