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Politik: … wir einen Weihnachtsbaum fällen

Es wird ja nun langsam Zeit. Soll schließlich am Ende nicht das alte Dichterwort Wahrheit werden: Wer jetzt keinen Baum hat, schlägt keinen mehr.

Es wird ja nun langsam Zeit. Soll schließlich am Ende nicht das alte Dichterwort Wahrheit werden: Wer jetzt keinen Baum hat, schlägt keinen mehr. Die Puhdys sind schon seit Tagen auf Weihnachtstournee, sie singen dabei „Alt wie ein Baum“. Aber das stimmt nicht.

Ein Weihnachtsbaum wird nicht alt. Wer einmal gesehen hat, wie unsere Weihnachtsbäume unter weihnachtsbaumunwürdigen Bedingungen gezogen werden – die Rede ist jetzt von jener Gattung, wie sie uns ständerkompatibel und vernetzt an jeder Ecke angeboten werden –, wer das einmal gesehen hat, der läuft weinend von tannen. Wenn er nicht auf der Stelle voller Wut und Empörung „Freiheit dem Weihnachtsbaum fordert“. Der Mensch in seiner schönfärberischen Rede nennt diese Zuchtanstalten „Schonungen“. Aber geschont wird dort gar nichts, jede x-beliebige Legebatterie ist weihnachtsbaumwürdiger.

Das zarte Pflänzlein hat keine Chance, ist erst einmal das Datum gekommen, kommt unweigerlich die Kettensäge, frisst sich gierig ins saftige Holz, skrupellose Helfershelfer stapfen hinterher, kappen am gekappten Fuß die jungen Triebe. Ein Kettensägenmassaker. Dann wird er herausgezerrt, der Baum, aus dem Gefängnis – und gleich wieder eingenetzt. Ein Massenbetrieb, herzlos, widernatürlich, unbaumlich.

Dabei geht es doch auch anders: naturbelassen, ganzheitlich, romantisch. Mit leuchtenden Kinderaugen und glockenhellem Kinderlachen über Vatis rote Glühweinnase. Anfangs mag Mutti darüber ja noch etwas grimmig gucken, aber dann strahlt auch sie in Erwartung des einzigen wirklich freien Platzes im Auto. Hinaus ins weihnachtliche Brandenburg! Es sind die Tage der Eigenfällung.

Ein Familienausflug zu freistehenden, freilebenden Gehölzen von kräftigem Wuchs. Ein Grün von glücklichen Tannen, die ihr Leben selbstbestimmt haben leben dürfen und sich nun freuen auf ihre besinnliche Bestimmung als Künder des Friedens auf Erden (zumindest temporär und vereinzelt).

Da wird kein Mickerbäumchen gefällt, da werden satte Hölzer erwählt, allein schon, weil Vati mal zeigen kann, dass in ihm nicht nur der Büromensch steckt sondern auch der Meister des Fuchsschwanzes und der kräftig zupackende Holzfäller. Ritsche, ratsche macht die Säge, und wenn Vati dann schnaubend und verschwitzt ruft „Baum fällt!“, stellt sich nur noch die Frage, wie das Monstrum ins Auto zu bringen ist. Die Frage nach den Orten der Eigenfällung, die wird Ihnen heute auf Seite 15 des Tagesspiegels beantwortet.uem

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