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Politik: ...wir im Bett bleiben

Dieser Tage wurde in München das Ende der Adoleszenz neu definiert. Als erwachsen gilt fortan der, der früh zu Bett geht.

Dieser Tage wurde in München das Ende der Adoleszenz neu definiert. Als erwachsen gilt fortan der, der früh zu Bett geht. Ganz ehrlich: Noch selten hat uns eine mit so viel gesundem Menschenverstand getränkte wissenschaftliche Erkenntnis den Einstieg in einen Text derart erleichtert.

Denn schreiben müssen wir heute über die Zeiten, da als politisch, im weitesten Sinne also als erwachsen, galt, wer gleich ganz im Bett blieb. Je länger, je politischer, und wenn’s sein musste, eine ganze Woche.

So, schon sind wir mitten drin in der Präsidentensuite des Amsterdam Hilton, März ’69. Am Fußende, sozusagen. Vor uns liegen John Lennon und Yoko Ono, bitte, wer das war, muss jetzt nicht mehr extra erklärt werden, oder? Beide jedenfalls recht züchtig im Schlafanzug, enttäuschend nur insofern, als dass man mit einiger Berechtigung auf mehr Freizügigkeit hätte hoffen dürfen. Die Zeiten waren wild, damals. Die Erwartungen diesbezüglich hoch. Die Suite war rammel, na, sagen wir besser: rappelvoll. Die Weltpresse versammelt.

Lennon, man muss es wohl so sagen, fummelte nicht, er quatschte nur, quatschte und quatschte, stundenlang, politisches Zeugs, vorzugsweise über dem Krieg in Vietnam. Immerhin: Eine neue Daseinsform war geboren – das Bed-In, was jüngere Semester bitte nicht mit „betandwin“ verwechseln mögen, auch wenn es schon damals, wie Lennon sich ausdrückte, darum ging, „mit möglichst wenig Energie einen größtmöglichen Effekt zu erzielen“.

Ja, so war das im März ’69. Und wegen des großen Energiespareffekts zogen John und Yoko zwei Monate später noch einmal in eine Suite, diesmal ins Queen Elizabeth in Montreal. Mai ’69 war es da. Lennon quatschte wieder, stundenlang. Doch irgendwann fing er an zu singen, wenigstens das. Und weil die Suite gerade mal wieder voll war, sangen alle mit. So entstand der Refrain zu „Give peace a chance“.

Sie haben das Ding bestimmt schon mal gehört, es wird gelegentlich im Radio gespielt. Am Ende hat man immer einen Kloß im Hals, weil der Chor so schön singt, und auch, weil die Welt dann doch nicht so geworden ist, wie sie hätte werden sollen.

Nein, wurde sie nicht. Es gibt Menschen, die wollen einen nicht in Frieden lassen, selbst wenn sie ins Bett gehen. Irgendein Marketing-Fredi muss jetzt die glorreiche Idee gehabt haben, Tatjana Gsell und Ferfried von Hohenzollern das 69er Bed-In nachstellen zu lassen. Richtig politisch, mutmaßen wir mal, wird das nicht. Ferfried wird zum Irak nix sagen. Und die Gsell kann auch nicht singen.

Nichts wird so sein wie früher? Hoffentlich lassen sie wenigstens die Schlafanzüge an. Vbn

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