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Politik: … wir was auf die Ohren kriegen

Das Gehör wird als politisches Organ immer noch weit unterschätzt. Die Geschichte des letzten Jahrhunderts wäre anders verlaufen, hätten die Völker auf den Zuruf „Völker, hört die Signale!

Das Gehör wird als politisches Organ immer noch weit unterschätzt. Die Geschichte des letzten Jahrhunderts wäre anders verlaufen, hätten die Völker auf den Zuruf „Völker, hört die Signale!“ nur „Hääääh?“ gesagt oder gleich ganz und gar Bahnhof verstanden. In diesem Fall wäre komplette Taubheit sicher die beste Lösung gewesen, doch auch sie bietet keine Gewähr dafür, dass die Völker insgesamt das Richtige tun. Demokratisch verlässlicher ist es wohl, wenn alle gleich gut hören, und deshalb kämpfen gute Regierungen so gern gegen den allgegenwärtigen Lärm.

Klar, dass da auch unser neuer Umweltminister Gabriel Handlungsbedarf sieht. Kaum zurück vom Weltklimagipfel, nahm er sich alte Akten aus seiner Zeit als Pop-Beauftragter der SPD vor und erinnerte sich, warum ihm dieser Job so auf den Wecker gegangen war: zu laut, das alles. Dröhn, wummer, kreisch. Geht doch nicht! Er ließ sich sofort eine Verbindung mit dem Bundesverband deutscher Diskotheken und Tanzbetriebe e. V. machen. Dort geben sie den Discjockey-Führerschein aus, der mit dem Slogan „Für einen gesunden Hörspaß“ propagiert wird.

Das klingt komisch, irgendwie nach Benjamin Blümchen, der auf einer neuen CD öffentlich Bio-Möhren knabbert. Aber die Künast-Phase ist ja vorbei, und es geht wieder um Dinge, die härter sind als Möhren. Diskothekenlärm. „Discjockeys sind gefordert, die gesundheitlichen Folgen überlauter Musik durch technische Gestaltung zu verringern“, heißt es in der Pressemitteilung, außerordentlich spröde zwar, aber doch viel verständlicher als bei Peter Maffay, der vor einigen Jahren mit dem Kampfruf „Take care of your ears“ in der Zielgruppe auf taube Ohren gestoßen war.

Nun wird den DJs gezeigt, wie bei 130 dB die Einzelteile des Gehörs zu einem klappernden und pfeifenden Mechanismus zerbröseln, welchen Schadenersatzforderungen sie sich gegebenenfalls aussetzen, und wie man leise Musik laut klingen lassen kann – das nur mal vorab, weil die Pressekonferenz ja noch aussteht.

Vor allem aber muss der Praxistest noch bestanden werden. Was wird der genervte Plattenaufleger sagen, wenn die Gäste ihn mit „Ey, mach ma lauter, Alter!“ in die Enge treiben? Kann er dann mit Aussicht auf Erfolg seinen Führerschein vorzeigen und sich auf den Bundesverband und dessen gesunden Hörspaß berufen? Klingt schwierig. Alle Politiker müssen jetzt zusammenhalten, um dieses gigantische Vorhaben zum Erfolg zu führen. Wer ist eigentlich gerade Pop-Beauftragter der SPD? bm

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