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Politik: ... wir weg vom Fenster sind

Angela Merkel schläft gerne, träumt viel und denkt gelegentlich über Deutschland nach. Dagegen ist in dieser Reihenfolge nichts zu sagen.

Angela Merkel schläft gerne, träumt viel und denkt gelegentlich über Deutschland nach. Dagegen ist in dieser Reihenfolge nichts zu sagen. Zwar sind empfindsamere Gemüter aus vergangenen Zeiten genau dabei schon mal an ihre BiorhythmusGrenzen geraten (Heine! „Denk ich an Deutschland in der Nacht …“) – Merkel aber nicht.

Den geschätzten Kollegen von der „Bild“-Zeitung hat sie auf die fast schon lyrisch anmutende Frage, welches Empfinden Deutschland in ihr wecke, nun recht baumarktmäßig geantwortet: „Ich denke an dichte Fenster! Kein anderes Land kann so dichte und schöne Fenster bauen.“

(Leider, liebe Tagesspiegel-Leser, dürfen wir an dieser Stelle nicht mutmaßen, ob den Kollegen auf ihre Frage womöglich die Antworten durcheinander geraten sind; deswegen die Klammer. Das kann ja mal passieren. In Wirklichkeit wars Ailton. Im O-Ton hat er gesagt: „Isse saukalt inne Deutshland. Ailton imma denke anne dichte Fensta.“ Oder so. Oder Merkel wars doch, aber leider in der Ursprungsfassung nicht zu stoppen mit ihrem ganzen Empfindungskram: „Wenn ich an Deutschland denke, dann denke ich immer an Helmut Kohl, wie er das historische Fenster zur Wiedervereinigung geöffnet hat. Nur die Sozis waren dagegen, die waren ja nicht ganz dicht, damals. Sind sie heute noch nicht!“ Ja, und dann hat irgendeiner bei „Bild“ Hand angelegt und das Ganze ein bisschen gerafft und geglättet. Aber, wie gesagt, das dürfen wir nicht schreiben, sonst hagelt es morgen eine Gegendarstellung – und Sie könnten nicht einen weiteren sehr schönen „Tag, an dem …“ empfinden.)

Merkel mag also Fenster, wenn sie nur dicht sind. Tiefenpsychologisch ist es uns ein Leichtes, das zu entschlüsseln: Geschlossene Fenster kündigen in Träumen Widerstände an, die man mutig bewältigen wird. Das alles ist derartig authentisch aus dem Leben gerissen, dass der Gedanke nahe liegt, Merkel habe das womöglich doch so gesagt, als verschlüsselte Botschaft an die Ihren, kurz vor dem CDU-Parteitag. Dazu passte auch, dass im indischen Deutungsraum das geschlossene Fenster wie folgt bewertet wird: Obacht, falsche Freunde versuchen dich zu hintergehen!

Keine Ahnung, wie wir jetzt auf Friedrich Merz kommen. Zufall. Merz hat auch ein Interview gegeben. Frage: „Gibt es in Ihrer Partei Persönlichkeiten, denen Sie Führung durch Format zutrauen?“ Antwort: „Ich finde, wir haben zum Beispiel eine ganze Reihe von Ministerpräsidenten in unseren Reihen, die diesem Anspruch ... wirklich gerecht werden.“

Wahrscheinlich hat Merkel beim Lesen gedacht: Gut, dass der Kerl weg ist vom Fenster. Vbn

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