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Politik: ...wir wissen, wen wir lieben

In einer Meinungsumfrage wurde wissenschaftlich ermittelt, wer der beliebteste Deutsche Deutschlands ist, oder auch die beliebteste Deutsche. Heute wissen wir: Der beliebteste Deutsche lebt in Potsdam.

In einer Meinungsumfrage wurde wissenschaftlich ermittelt, wer der beliebteste Deutsche Deutschlands ist, oder auch die beliebteste Deutsche. Heute wissen wir: Der beliebteste Deutsche lebt in Potsdam. Er heißt Jauch.

Das ist schon okay. Nichts gegen Günther Jauch! Günther Jauch ist zweifellos ein sehr guter Fernsehmoderator. Sein Beruf besteht im Kern darin, Fragen zu stellen, freundlich zu wirken und Geld zu verteilen, letzteres meist in der Show „Wer wird Millionär“. Jemand, der unter der Bevölkerung über einen längeren Zeitraum hinweg in großen Mengen Geld verteilt, hat es natürlich nicht allzu schwer, beliebt zu werden. Das muss man gerechterweise zugeben. Wenn man ihn eine Zeit lang „Wer wird Millionär“ moderieren lässt, dürfte sogar unser tragischer Finanzminister Hans Eichel wieder eine Spur beliebter werden. Oder Ernst August, der charakterlich so schwierige Gemahl von Prinzessin Caroline, er darf nur die Kandidaten nicht zu oft ohrfeigen. Vielleicht sogar Hartmut Mehdorn, der satanische Bahnchef! Obwohl – bei Hartmut Mehdorn nützt wahrscheinlich auch „Wer wird Millionär“ nicht viel.

Unter den beliebtesten Deutschen befindet sich kein einziger Wirtschaftsführer. Es gibt, wenn man die Sache einmal streng wissenschaftlich betrachtet, Berufe, in denen wird man nachweislich fast automatisch beliebt, zum Beispiel Geldbriefträger, Lottogewinnüberbringer, Glücksfee, Preisverleiher, Lobredner, Bauchpinsler, Moderator oder Nikolaus. Ach, wie schön wäre es, wenn es nur solche Berufe gäbe! Alle Menschen werden Jauchs! Aber es funktioniert nicht. Bei einem Chef oder Wirtschaftskapitän verhält es sich ja so, dass er beim Verteilen immer gleichzeitig etwas einsammelt. Befördert er den Herrn Schmidt, hat er damit automatisch Herrn Müller nicht befördert, und der ist stocksauer. Kurbelt er die ÖltropfösenProduktion an, in dem Glauben, dass der Öltropföse die Zukunft gehört, fühlt sich in der Firma die Schwachstrom-Schwungfedern-Abteilung automatisch brüskiert. Entscheidet er aber gar nichts, weil er keinem wehtun möchte, dann geht der ganze Laden den Bach runter und das ist auch verkehrt. Wissenschaftlich gesehen kann man in manchen Jobs einfach nicht beliebt sein. Aber irgendwer muss sie machen.

Vielleicht sollten wir Günther Jauch für ein Jahr zum Finanzminister ernennen und abwarten, was passiert. Oder zum Bahnchef. Und zwar zur wissenschaftlichen Überprüfung einer These. Die These lautet: Beliebt sein wird in unserer Gesellschaft überschätzt. mrt

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