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Politik: ...Woodstock, Teil drei

Heute finden in neun Städten, darunter der besten Stadt überhaupt, die „Live8“-Konzerte statt. Es handelt sich um Rock- Pop-Konzerte im Kingsize-Format, die keinen Eintritt kosten.

Heute finden in neun Städten, darunter der besten Stadt überhaupt, die „Live8“-Konzerte statt. Es handelt sich um Rock- Pop-Konzerte im Kingsize-Format, die keinen Eintritt kosten. Extrem berühmte Künstler treten auf, darunter auch einige, die schlecht zusammenpassen, zum Beispiel in London Pink Floyd und die Sex Pistols.

„Live 8“ ist Teil drei einer Trilogie. Teil eins war das Konzert von Woodstock (Love and Peace, 1969), Teil zwei hieß „Live Aid" (gegen den Hunger in Afrika, 1985). Diesmal soll das Konzert bewirken, dass die reichsten Staaten den ärmsten, und zwar afrikanischen, ihre Schulden erlassen. Man muss da pessimistisch sein. Der Autor dieses Textes hat auch einmal Geld verliehen. Ich bin kein Banker. Ich bin keine AG. Ich versuche, nett zu sein. Aber wenn jemand vor meinem Fenster ein Konzert veranstaltet, um zu bewirken, dass ich jemandem seine Schulden erlasse, dann schütte ich einen Eimer Wasser aus diesem Fenster. Vor allem, wenn es Chris de Burgh ist. Musik macht die Leute manchmal erst recht aggressiv.

Seit es Pop gibt, enthält Pop zwei geistige Strömungen. Erstens die wilde verwegene Lebenslust, der Hedonismus, also Sex, Drogen und so. Zweitens die Überzeugung, moralisch den Nichtpopmenschen überlegen zu sein, also Love, Peace, Gurus, dieses Zeug. Beide Botschaften widersprechen einander. Moralischen Egoismus gibt es nicht, das richtige Leben und das wilde Leben sind nicht deckungsgleich. Aber mit diesem Widerspruch ist die Popwelt immer gut klargekommen. Es sind zahlreiche Moralmillionäre dabei entstanden, die heute auf den diversen „Live-8“-Bühnen stehen. Sie werden mit ihrem Konzert für Afrika wenig, für ihr eigenes Image aber eine ganze Menge bewegen.

Es geht bei „Live 8“ um Afrika. Die Veranstalter hatten zunächst völlig vergessen, afrikanische Musiker in das Programm aufzunehmen. Das fiel auf. Da haben sie noch schnell ein rein afrikanisches Zusatzkonzert angesetzt, und sogar noch einen fast echten Halbsenegalesen fürs Hauptprogramm gefunden, Youssou N’Dour aus Paris. Aber vielleicht wäre ein Schuldenerlass für Afrika gar nicht das Wichtigste. Vielleicht wäre es viel wichtiger, wenn die Afrikaner endlich von einigen ihrer korrupten Staatenlenker befreit werden, zum Beispiel von Robert Mugabe. Eine neue Aidspolitik wäre ebenfalls hilfreicher als jede Melodie.

Egal. Es ist halt mehr symbolisch gemeint. Es ist ungefähr so ehrlich wie die Vertrauensfrage von Gerhard Schröder. Außerdem beginnt heute die Tour de France, schon vergessen? Auch Jan Ullrich stellt seiner Partei, wie in jedem Jahr, die Vertrauensfrage. mrt

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