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Nebenklage-Anwältin Doris Dierbach.

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100 Tage NSU-Prozess: Doris Dierbach: „Sie halten rechtes Gedankengut für normal“

Nebenklage-Anwältin Doris Dierbach findet es in ihrer Zwischenbilanz schwer erträglich wie über den Vorsitzenden Richter Götzl hergezogen wird und wie sich das soziale Umfeld der Angeklagten aufspielt.

Von Frank Jansen

Wie fühlen Sie sich nach bald 100 Tagen NSU-Prozess?

Ich fühle mich gut. Natürlich ist der Prozess mit erheblichen Anstrengungen verbunden, die ich aber gerne auf mich nehme. Aus jahrelanger Tätigkeit  vor Gericht war mir klar, dass die Beweisaufnahme lange dauern würde. Das bin ich gewohnt.

Wie ertragen Sie die Bilder der getöteten Opfer?

Solche Bilder sind immer schwer zu ertragen. Allerdings gehören sie zu jeder Beweisaufnahme, die erlittene Verletzungen von Opfern aufklären muss, dazu. Sie sind unvermeidlich.

Welcher Verhandlungstag war für Sie der härteste?

Besonders beeindruckend sind immer die Vernehmungen der hinterbliebenen Familienangehörigen. Schwer erträglich sind dagegen die Vernehmungen des gesamten sozialen Umfeldes der Angeklagten. Diese Zeugen halten ausnahmslos rechtes Gedankengut für „normal“ , bleiben hinter früheren Aussagen zurück und sind erkennbar darum bemühen, die Angeklagten zu schützen.

Im Prozess wird ab und zu auch gelacht. Stört Sie das oder lachen Sie mit?

Das kommt darauf an, wann und worüber gelacht wird. Manchmal sehe ich die Gefahr, dass der tragische Hintergrund des Prozesses ein wenig ins Hintertreffen gerät. Andererseits bleiben auch in einem solchen Prozess durchaus komische Momente nicht aus. Dadurch lässt sich manches auch leichter aushalten.

Hat die Hauptverhandlung Ihr Leben und das Ihrer Angehörigen verändert?

Nein.

Was hat die Beweisaufnahme bislang gebracht? Wo steht der Prozess?

Ich bin zuversichtlich, dass die weitere Beweisaufnahme auch weitere Klarheit über die Taten des NSU und deren Hintergrund erbringen wird. Gegenwärtig spricht alles dafür, dass am Ende des Verfahrens eine Verurteilung der Angeklagten stehen wird.

Haben Sie den Eindruck, der Vorsitzende Richter Manfred Götzl ist der Dimension des Verfahrens gewachsen?

Ich finde es manchmal schwer erträglich, in welch persönlicher Weise über den Vorsitzenden Richter hergezogen wird und wer sich alles anmaßt, über dessen Kompetenz zu urteilen. Der Vorsitzende ist Mitglied eines Kollegiums, welches insgesamt Entscheidungen trifft. Die Personalisierung des Verfahrens auf die Person des Vorsitzenden ist völlig unangemessen und ja, der Vorsitzende ist dem Verfahren ohne jeden Zweifel gewachsen. Auch wenn man mit den getroffenen Entscheidungen nicht immer einverstanden sein muss. Das ist aber das Wesen des kontradiktorischen Strafprozesses und nicht zwangsläufig eine  Frage der Kompetenz Einzelner.

Halten Sie es beim jetzigen Stand der Hauptverhandlung für wahrscheinlich, dass Beate Zschäpe und die vier Mitangeklagten verurteilt werden?

Ja.

Haben Sie noch Kraft für weitere 100 Tage?

Ja sicher!

-Doris Dierbach ist Rechtsanwältin in Hamburg. Sie vertritt mit Kollegen die Familie des in Kassel erschossenen Halit Yozgat.

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