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Nebenklage-Anwalt Mustafa Kaplan

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100 Tage NSU-Prozess: Mustafa Kaplan: „Die Bilder schnüren mir den Hals zu“

Nebenklage-Anwalt Mustafa Kaplan geht der Prozess oft nahe - trotz 16-jähriger Berufserfahrung. Seine Kinder wünschen sich ein schnelles Verfahrensende. Dieses und weitere Interviews, die Frank Jansen anlässlich des 100. NSU-Verhandlungstages führte, finden Sie auf unserer Themenseite.

Von Frank Jansen

Wie fühlen Sie sich nach bald 100 Tagen NSU-Prozess?

Als ich das Mandat angenommen habe, war mir bewusst, dass das Verfahren sich hinziehen wird. Ich habe meinem Mandanten versprochen, bis zum Ende dabei zu sein, auch wenn es zeitlich aufwendig wird.

Wie ertragen Sie die Bilder der getöteten Opfer?

Ich arbeite nun seit fast 16 Jahren als Rechtsanwalt in Strafsachen. Bilder von getöteten Opfern sind leider nicht so selten. Es gibt keine Regeln, wie man als Strafverteidiger damit am besten umgeht und es erträgt. Meine Aufgabe ist es, die Interessen meines Mandanten wahrzunehmen. Dies könnte ich nicht, wenn ich emotional reagieren würde. Ich gebe aber zu, dass die Bilder mir teilweise meinen Hals zuschnüren. Manchmal beobachte ich auch einfach die Angeklagten, was sie machen, wenn die Bilder eingeblendet werden. Ich versuche mir vorzustellen, was sie in dem Augenblick denken. Empfinden sie Reue? Mitleid? Genugtuung?

Welcher Verhandlungstag war für Sie der härteste?

Als der Vater des in Kassel erschossenen Halit Yozgat ausgesagt hat und quasi zusammengebrochen ist.

Im Prozess wird ab und zu auch gelacht. Stört Sie das oder lachen Sie mit?

Im Gerichtssaal sitzen zirka 100 Leute. Teilweise ist es eine beklemmende Situation. Jeder Mensch geht damit unterschiedlich um. Ich habe aber nicht den Eindruck, dass auch nur eine einzige Person den Ernst der Lage nicht verstanden hat oder sich respektlos gegenüber den NSU-Opfern verhalten möchte.

Hat die Hauptverhandlung Ihr Leben und das Ihrer Angehörigen verändert?

Ja, ziemlich sogar. Durch den Prozess fehle ich meiner Familie an drei Tagen in der Woche. Meine Kinder wünschen sich, dass das Verfahren schnell zu Ende geht.  

Was hat die Beweisaufnahme bislang gebracht? Wo steht der Prozess?

Ich würde schon sagen, dass die Beweisaufnahme bezüglich der Angeklagten Zschäpe und Wohlleben die Nebenklage ein ganzes Stück vorangebracht hat. Aber leider kommen wir sehr langsam voran. Dies liegt auch daran, dass die den Angeklagten nahestehenden Zeugen es dem Vorsitzenden Richter nicht einfach machen. Aber auch die Bundesanwaltschaft könnte meines Erachtens zur Beschleunigung beitragen, wenn sie Aktenbestandteile nicht scheibchenweise und erst auf Druck der Nebenklage herausgeben würde.

Haben Sie den Eindruck, der Vorsitzende Richter Manfred Götzl ist der Dimension des Verfahrens gewachsen?

Ja.

Halten Sie es beim jetzigen Stand der Hauptverhandlung für wahrscheinlich, dass Beate Zschäpe und die vier Mitangeklagten verurteilt werden?

Ja, mit einer Einschränkung. Meiner Meinung nach ist derzeit eine Verurteilung des Angeklagten André E. nicht ganz klar.

Welche Lehren ziehen Sie für sich und Ihre Arbeit aus dem Prozess?

Die Frage kann ich nicht beantworten.

Haben Sie noch Kraft für weitere 100 Tage?

Ja.

Mustafa Kaplan ist Rechtsanwalt in Köln. Er vertritt Ugur Yigitbasi, ein Opfer des Nagelbombenanschlags in der Kölner Keupstraße.

Weitere Interviews, die Frank Jansen anlässlich des 100. NSU-Verhandlungstages führte, finden Sie auf unserer Themenseite.

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