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Die AFD-Parteivorsitzende Frauke Petry nach ihrer Rede beim Bundesparteitag in Hannover.

© dpa/Sven Pförtner

Update

1200 protestieren gegen Parteitag in Hannover: AfD hofft bei Bundestagswahl auf bis zu 20 Prozent

Die AfD profitiert von der Flüchtlingskrise und gibt sich beim Parteitag selbstbewusst. Parteichefin Petry forderte Kanzlerin Merkel zum Rücktritt auf. 1200 Menschen demonstrieren gegen die Rechtspopulisten - friedlich.

Begleitet von einem massiven Polizeieinsatz hat am Samstagmorgen in Hannover der Bundesparteitag der Alternative für Deutschland (AfD) begonnen. Die Partei debattiert über die Asylpolitik und den Zuzug von Flüchtlingen. Rund 600 Delegierte werden zu dem zweitägigen Kongress erwartet. In dessen Mittelpunkt stehen Satzungsänderungen. Dabei geht es unter anderem darum, ob es künftig eine zwei- oder dreiköpfige Parteiführung gibt. Derzeit sind Frauke Petry und Jörg Meuthen gemeinsam Sprecher der Partei.

Vorstandwahlen oder Programmdebatten sind nicht vorgesehen, offene Konflikte und Flügelkämpfe sind daher kaum zu erwarten. Allerdings liegen den Delegierten zwei Anträge zur Eurokrise und zum Thema Asyl vor, über die voraussichtlich am Samstag abgestimmt wird.

Petry forderte hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wegen ihres Kurses in der Flüchtlingspolitik zum Rücktritt auf. „Treten Sie zurück, Sie schaffen das“, sagte Petry in Anlehnung an Merkels Credo zur Bewältigung der Flüchtlingskrise. Die Kanzlerin habe in der „Migrationskrise“ die Kontrolle verloren. 74 Prozent der Deutschen würden sich für Obergrenzen bei der Zuwanderung aussprechen, jedoch von der Bundesregierung wie schon in der Griechenlandkrise nicht gehört.
Merkel habe bereits öffentlich zugegeben, dass sie die Zahl der Flüchtlinge und Migranten, die nach Deutschland kommen, nicht beeinflussen könne. „Frau Merkel, damit haben Sie den Regierungsauftrag klar verfehlt“, sagte Petry.

Die Parteichefin beklagte, die AfD werde als rechtspopulistisch oder rechtsradikal stigmatisiert. Journalisten bezeichnete sie in Anspielung auf eine lügende Märchenfigur als "Vertreter der Pinocchio-Presse" und warb um Verständnis für den bei vielen AfD-Kundgebungen skandierten Slogan "Lügenpresse": "Versetzen Sie sich einmal in die Lage derjenigen Repräsentanten einer neuen demokratischen Partei, die ihrerseits ständig mit Diffamierungen und Zuschreibungen diffamiert werden, die Sie nicht teilen."

Meuthen: "Turnaround" nach Lucke-Rücktritt

Nach Ansicht von Meuthen kann die AfD bei der nächsten Bundestagswahl mit einem zweistimmigen Ergebnis rechnen. „Wir haben ein Wählerpotenzial von bis zu 20 Prozent“, sagte Meuthen. Er betonte aber auch, dass die AfD noch eine sehr junge Partei sei, „die auch immer noch Fehler macht“. „Aber der zweistellige Bereich ist die Wegmarke. Ich denke, wir werden das schaffen“, sagte er.

Die AfD habe nach dem Austritt von Parteigründer Bernd Lucke im Sommer wieder den „Turnaround“ geschafft, sagte Meuthen. Alle Versuche, die Partei zu spalten, seien gescheitert. Längst gebe es wieder eine „sehr kräftige Aufwärtsbewegung“. Derzeit wollten trotz der Verunglimpfungen durch Medien und politische Gegner so viele Menschen in die Partei eintreten, dass diese mit der Bearbeitung der Anträge gar nicht mehr nachkäme. Die AfD sei keine rechte Partei. „Wir stehen für einen guten und weltoffenen Patriotismus und möchten hier weiterhin mit unseren Kindern und Enkeln leben“, sagte Meuthen.

Zweifel an Insa-Umfrage

Es ist noch keine fünf Monate her, da schien die AfD am Ende. Mit dem Austritt ihres Gründers Lucke verlor sie auf dem Essener Parteitag im Juli ihren wirtschaftsliberalen Flügel und geriet immer mehr ins rechtspopulistische und nationalkonservative Fahrwasser. Doch dann kam die Flüchtlingskrise - und mit ihr die rasante Wiederauferstehung der AfD: Mitte November verortet eine Umfrage sie erstmals „als drittstärkste Partei“. Nach Angaben des Meinungsforschungsinstituts Insa liegt die AfD ebenso plötzlich bei 10,5 Prozent.

Doch an dem Umfrageergebnis gibt es auch Zweifel: So ist Insa nicht nur das einzige Institut, das die AfD bundesweit im zweistelligen Prozentbereich sieht. Darüber hinaus wird auch Insa-Chef Hermann Binkert von mehreren Medien eine Nähe zur AfD attestiert.

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Den AfD-Mitgliedern ist dies egal. Für sie ist wichtig, dass sie mit ihrer offen ablehnenden Haltung in der Flüchtlingspolitik einem relevanten Teil der Wähler zu gefallen scheint. Und mehr noch: Mit rund 19.000 Mitgliedern hat die Partei auch hier zahlenmäßig das Tief nach dem Austritt von Lucke überwunden. Der Jubel und Optimismus ob der Zahlen ist offenkundig.

Wegen angekündigter Proteste linker Gruppen hat die Leitung des AfD-Parteitages den 600 Delegierten empfohlen, die Veranstaltungshalle in Hannover nicht zu verlassen. Dies sei nur zur Sicherheit, es gebe keine konkrete Bedrohung, sagte ein Mitglied des Tagungsvorstandes. Auch für den Abend empfahl er den Parteimitgliedern, die Halle nur in Gruppen zu verlassen. „Zeigen Sie Ihre Parteizugehörigkeit nicht offen“, sagte ein Mitglied der Parteitagsorganisation. Ab dem Mittag wurden mehrere Tausend Demonstranten vor dem Hannover Congress Centrum erwartet. Die Polizei war mit einem Großaufgebot im Einsatz.

Parteienforscher zur AfD: "Breites rechts Spektrum"

Die AfD verhält sich nach Ansicht des Parteienforschers Oskar Niedermayer gegenüber rechtsextremen Positionen gewollt mehrdeutig. „Die AfD vereint derzeit Strömungen von konservativ bis rechtsextremistisch, von jedem ein bisschen.“ Deshalb könne man die Partei auch nicht mit einem griffigen Begriff charakterisieren, sagte Niedermayer der Deutschen Presse-Agentur. „Von rechtskonservativ bis völkisch deckt sie ein breites rechtes Spektrum ab.“

Auch das Verhältnis der AfD zur rechten Protestbewegung Pegida sei zwiespältig, sagte Niedermayer. „Die AfD will eben auch diese Strömung abdecken. Teilweise distanziert sie sich, teilweise wird gemeinsame Sache gemacht.“

Ihre Position zur Flüchtlingskrise sei zum Markenkern der AfD geworden. „Ohne diese Krise hätte die AfD nur noch geringe Chancen gehabt“, sagte Niedermayer. Die durch den Rückgang der Union bei Umfragen naheliegende Vermutung, dass die AfD von der Schwäche bei CDU und CSU profitiere, lasse sich momentan noch nicht belegen. „Über die Wählerwanderung wissen wir so gut wie nichts.“ Internationale Vergleiche ließen aber erkennen, dass Rechtsparteien unter anderem dann wachsen, „wenn vor allem konservative Parteien Versprechungen machen, die sie nicht einhalten“. „Die AfD zieht nicht nur ideologisch stramm rechte Wähler an, sondern auch Protestwähler, die die Flüchtlingspolitik der Regierung ablehnen und keine Alternative im Parteiensystem sehen“, sagte Niedermayer.

1200 Gegendemonstraten

In Hannover demonstrierten nach Polizeiangaben rund 1.200 Menschen gegen den Bundesparteitag. Die AfD-Gegner zogen vom Opernplatz zum Hannover Congress Centrum, wo 500 Delegierte der Partei das Wochenende über tagen. Dort versammelten sich die Demonstranten zu einer Kundgebung mit verschiedenen Redebeiträgen. Die Polizei begleitete den friedlichen Protest mit „angemessenem Personaleinsatz“, wie eine Sprecherin sagte. Die Veranstalter sprachen von rund 1.600 Teilnehmern. (mit dpa)

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