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Amerikas Wirtschaft soll wachsen - wie geht das am besten?

© Spencer Platt/Getty Images/AFP

16 Tage bis zur US Wahl: It's not the economy, stupid!

Trump und Clinton werben mit ihren Wirtschaftsprogrammen. Allzu ernst nehmen darf man sie nicht. Keine(r) von beiden wird den Kongress kontrollieren. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Nun wird’s ernst – auch für die Wirtschaftsinteressen der Bürger, Anleger und Firmen in Deutschland und Europa. Was wäre von einer Präsidentin Hillary Clinton, was von einem Präsidenten Donald Trump zu erwarten?

Wahlprogramme sind wichtig, allzu ernst darf man sie nicht nehmen. Um sie ohne Rücksicht auf das andere Lager durchzusetzen, müsste eine Partei das Weiße Haus, die absolute Mehrheit im Abgeordnetenhaus und 60 der 100 Sitze im Senat kontrollieren. Das wird nicht eintreten. Auch in den nächsten vier Jahren wird es nur da neue Gesetze geben, wo Demokraten und Republikaner unter dem Druck der öffentlichen Meinung Kompromisse schließen.

Trump verspricht Aufschwung: Make America Great Again

Generell nennt Trump weniger Details, er operiert mit vielversprechenden Slogans wie „Make America Great Again“. Er redet dezidiert protektionistisch und lehnt Freihandelsverträge ab – ein harter Bruch mit der traditionellen Linie der Republikaner. Clinton hat sich im Kampf um die Kandidatur von Bernie Sanders, ihrem innerparteilichen linken Rivalen, und Trump dazu drängen lassen, sich ebenfalls gegen Freihandel zu positionieren. Ihrer Überzeugung nach ist sie für Freihandel.

In der Bildungs-, Steuer-, Gesundheits- und Einwanderungspolitik vertreten Clinton und Trump gegensätzliche Positionen. Die dienen freilich vor allem der Mobilisierung ihrer Anhänger und sind nicht als Handlungsanweisung zu verstehen.

Clinton hat sich weit nach links drängen lassen

Clinton hat, um die Partei auf dem Nominierungsparteitag im Juli zu einigen, einige Bernie-Sanders-Forderungen übernommen: die Studiengebühren sollen sinken, zumindest an staatlichen Unis; Banken sollen schärfer kontrolliert und die Höchstverdienenden höher besteuert werden. Trump macht keine Aussagen zur Bildungspolitik, will die Steuern senken, fordert die Abschaffung von Obamas Gesundheitsreform und verspricht eine härtere Immigrationspolitik.

Aus aktueller Sicht hat Clinton bessere Aussichten auf den Wahlsieg als Trump. Seit über einem Jahr führt sie kontinuierlich in den Umfragen – mit nur kurzen Ausnahmen. Nimmt man Charttechnik zu Hilfe, wird klar: Trump benötigt einen „Game Changer“. Clintons Zustimmungskurve verläuft zwischen 44 und 52 Prozent, zumeist um die 47 Prozent. Er ist nur einmal kurz über 45 Prozent gekommen und blieb zwischen 42 und 44 Prozent „gedeckelt“. Aktuell steht es 48 zu 42 Prozent für sie.

Die Wetten stehen jetzt 85 zu 15 für sie

Die Wetten in den USA stehen inzwischen 85 zu 15 für einen Clinton-Sieg. Noch eindrucksvoller wirkt ihr Vorsprung, wenn man auf die entscheidenden Faktoren im US-Wahlsystem schaut: das Abschneiden in den „Swing States“, die mal für die Demokraten, mal für die Republikaner stimmen. Präsident wird nicht, wer landesweit die meisten Stimmen erzielt, sondern wer durch Siege in einer ausreichenden Kombination der insgesamt 50 Bundesstaaten mindestens 270 Wahlmänner gewinnt. Nach aktuellen Projektionen hat Clinton bereits ohne die umkämpften „Swing States“ 262 Wahlmänner sicher, Trump 164. In den Staaten, in denen keiner von beiden dominiert, führt sie zumeist, wenn auch knapp. Wenn sich in den verbleibenden 16 Tagen bis zur Wahl nichts dramatisch ändert, wird sie die Wahl hoch gewinnen.

Wie kann Trump diese Dynamik ändern? Er hofft, dass es eine „Schweigespirale“ gibt und viele ihn wählen werden, die sich nicht trauen, das den Demoskopen offen zu sagen.

Entscheidend ist, ob diese Strategien in den Staaten verfangen, die Trump benötigt, um auf 270 Wahlmänner zu kommen. Auch da geht es vor allem um subjektive Wahrnehmung, wie die Wirtschaft läuft. Trump muss die Staaten halten, die die Republikaner 2008 und 2012 gewannen und den Demokraten weitere abnehmen. Er setzt auf frustrierte Weiße aus der Unterschicht im „Rust Belt“ mit ökonomischen Strukturproblemen: Pennsylvania, Michigan, Ohio, Wisconsin. In diesen Staaten führt Clinton jedoch, zum Teil hoch. Schlimmer noch: Sie wird ihm in Staaten gefährlich, die als sicher republikanisch galten wie Georgia, Arizona und Utah.

Ein Präsident Trump schadet deutschen Interessen

Clinton hat die Wahl noch nicht gewonnen. Aber Trump braucht die sprichwörtliche „October Surprise“: ein überraschendes Ereignis kurz vor der Wahl. Manche Demokraten fürchten, dass Wladimir Putin und Wikileaks ihm dabei helfen könnten. Man weiß, dass deren Helfer in Datenbanken eingebrochen sind. Wikileaks hat potenziell kompromittierendes Material aus der Demokratischen Partei. Russische Hacker sind in mindestens zwei US-Staaten in Wahlcomputer eingedrungen, was im Extremfall die Möglichkeit eröffnet, Abstimmung und Auszählung zu manipulieren.

Für die deutschen Interessen wäre ein Präsident Trump schädlich – freilich weniger, weil er zu autoritärer Führung neigt oder Zugang zu den Atomwaffen-Codes hätte. Die USA sind ein Land mit funktionierender Demokratie, Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit. Und die Militärs gehorchen nicht blind, sondern sind loyal zur Verfassung. Der größte Schaden träte dadurch ein, dass die US-Bürger einen Trump tatsächlich wählen. Das würde dem Ansehen Amerikas schaden und den Zusammenhalt der westlichen Demokratien schwächen. Was wiederum Gegner des Westens einlädt, zu testen, wie weit sie gehen können.

Eine Präsidentin Clinton verbreitet keine Aufbruchstimmung

Eine Präsidentin Clinton wäre zwar keine erhebende Alternative, aber eine verlässliche. Mit ihren dann 69 Jahren und ihrem „Weiter so“ wie unter Obama löst sie keine Aufbruchsstimmung aus. Aber man weiß, woran man mit ihr ist. Sie kennt die Themen, die Konflikte, die Handlungsoptionen. Berechenbarkeit ist in diesen Zeiten der Krisen und Kriege schon eine ganze Menge wert.

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