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Politik: 20 Soldaten für ein Kloster

Wie die Nato-Friedenstruppe auf die neue Sicherheitslage reagiert hat

Skenderaj - Das Kloster Devic ist eine richtige Perle. Die kleinen Gebäude erstrahlen in frischem Weiß auf einer Anhöhe umgeben von Weiden und Obstbäumen. Sechs serbisch-orthodoxe Nonnen leben in dieser Idylle, die jedoch alles andere als friedlich ist. Gepanzerte Fahrzeuge und 20 deutsche Soldaten der Nato-geführten Kosovo-Force (Kfor) müssen die Schwestern vor ihren albanischen Nachbarn schützen. Im März 2004, als es im ganzen Kosovo zu Übergriffen auf die serbische Minderheit kam, wurde das Kloster niedergebrannt, die Nonnen von der Kfor in Sicherheit gebracht.

Mit der Unabhängigkeit des Kosovo ist die Angst vor neuen Ausschreitungen gestiegen – und auch die Wachsamkeit der 16 000 Mann starken Kfor. „Wir demonstrieren bewusst Präsenz und haben unsere Patrouillen verstärkt“, erläutert Generalmajor Gerhard Stelz, der stellvertretende Kfor-Befehlshaber.

Derzeit droht Gewalt jedoch vor allem von den Serben selbst. Brennpunkt ist die geteilte Stadt Mitrovica. Am 17. März kam es hier zu schweren Unruhen, als kosovarische Sicherheitskräfte und UN-Polizisten im serbischen Teil der Stadt ein besetztes Gerichtsgebäude stürmten. Ein ukrainischer UN-Polizist kam dabei ums Leben. Für General Stelz manifestiert sich hier „eine neue Qualität der Bedrohung“. „Es gab bisher ein Tabu im Kosovo, Gewalt gegen die Kfor anzuwenden. Dieses Tabu ist am 17. März gebrochen worden. Verantwortlich dafür seien extremistische Kräfte aus Serbien, erklärt Stelz. „Unsere Botschaft an sie ist eindeutig: Wir nehmen unser Mandat resolut in Anspruch.“

Doch seit dem 17. März ist es in Mitrovica weitgehend ruhig geblieben. Die französischen Kfor-Soldaten, die hier zu Fuß patrouillieren, tragen lediglich Handfeuerwaffen und vereinzelt Gewehre mit Gummigeschossen bei sich. Fast entspannt schlendern sie durch die Straßen und setzten sich auch schon mal in ein Café. „High visibility, low profile“ lautet die Devise der Kfor. Zu Deutsch: Präsenz zeigen, aber möglichst wenig martialisch auftreten – solange es keine neuen Ausschreitungen gibt.

2004 war die Kfor von den Ereignissen überrascht worden. Das soll nicht noch einmal passieren. Deshalb hat die Friedenstruppe, zu der auch etwa 2200 Bundeswehr-Soldaten zählen, Vorkehrungen getroffen. Im Norden des Kosovo, der unter französischem Kommando steht, werden zusätzlich Reserveeinheiten verschiedener Nationen eingesetzt. Zu den wichtigsten Aufgaben der Deutschen gehört der Schutz des Klosters Devic und einiger serbischer Enklaven. Die Region ist eine der ärmsten des Kosovo, mehr als 70 Prozent beträgt die Arbeitslosigkeit unter den Albanern, rund 90 Prozent unter Serben. Ende der 90er Jahre fanden hier erbitterte Kämpfe zwischen der serbischen Armee und Kämpfern der Befreiungsarmee UCK statt. Einer der getöteten UCK-Führer, Adem Jashari, war hier zu Hause. Die Ruine seines Hauses ist eine Art nationaler Wallfahrtsort. Hinzu kommt, dass in dieser Region, dem sogenannten Drenica-Dreieck, sowohl Premier Hashim Thaci als auch sein Kontrahent Ramush Haradinaj ihre Basis haben.

Das alles birgt sozialen Sprengstoff. In den Enklaven, berichten deutsche Soldaten, hörten sie oft: „Ohne die Kfor würden wir nicht bleiben.“ Es gibt aber auch Hoffnungsschimmer. In einem Hochhaus in Nordmitrovica leben Serben und Albaner friedlich nebeneinander. „Wenn es hier zu Auseinandersetzungen kommt, dann geht das meist von Leuten aus, die aus Serbien anreisen“, sagt ein Kfor-Soldat. Auch in Suvo Grlo, einem Dort mit 616 albanischen und 141 serbischen Einwohnern, musste die Kfor noch nicht eingreifen. Neuerdings teilen sich die Bauern hier sogar einen Traktor. uls

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