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Politik: 2001: UN-Jahr der Freiwilligen: "Engagement ist der soziale Kitt"

Christine Bergmann (61) ist SPD-Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Seit April 2000 leitet sie den Beirat zum Internationalen Jahr der Freiwilligen.

Christine Bergmann (61) ist SPD-Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Seit April 2000 leitet sie den Beirat zum Internationalen Jahr der Freiwilligen.

Wozu brauchen wir überhaupt Menschen, die sich freiwillig engagieren?

Das bürgerschaftliche Engagement ist der soziale Kitt in unserer Gesellschaft. Dadurch bekommt der Einzelne das Gefühl, dass die Gesellschaft ihn braucht. Es ist ja wirklich so, dass ohne die Ehrenamtlichen vieles in diesem Staat nicht laufen würde. 2,5 Millionen engagieren sich zum Beispiel bei den Wohlfahrtsverbänden, viele im Sport. Außerdem ist die Freiwilligenarbeit besonders in den Nachbarschaftshilfen enorm wichtig.

Der Staat zieht sich also zurück.

Nein, die Kernaufgaben wie im sozialen Bereich müssen beim Staat bleiben. Die Bürger dürfen keine Lückenbüßer sein. Aber der Staat muss und kann nicht alle Aufgaben übernehmen. Manche kann er auch nicht im Alleingang lösen, wie zum Beispiel die Bekämpfung der Ausländerfeindlichkeit. Wir brauchen Leute, die klar machen, dass sie das ablehnen und sich um die Zuwanderer kümmern.

Was planen Sie für das nächste Jahr?

Wir wollen die Menschen erreichen, die gern etwas täten, aber noch keinen Einstieg gefunden haben, vor allem die jungen Leute. Für die ist entscheidend, ob ihnen das freiwillige Engagement etwas bringt, etwa für ihren beruflichen Werdegang. Deshalb werden wir uns dafür einsetzen, dass das Engagement zertifiziert wird und bei Bewerbungen berücksichtigt und gewürdigt wird.

Verbände und Vereine fordern, dass sie der Staat im Bereich der Fort- und Weiterbildung finanziell unterstützt und Kurse anbietet.

Das ist berechtigt. Freiwillige wollen dazulernen und brauchen häufig auch diese Qualifikation, denken wir zum Beispiel an Krisentelefonen, wo der gesunde Menschenverstand alleine nicht mehr ausreicht. Wir werden auch Qualifikationsmodelle fördern.

Die Regierung stellt Geld zur Verfügung ?

Das hat sie schon getan mit der Erhöhung der Übungsleiterpausche, die jetzt auch im Pflegebereich gilt. Wir haben für gezielte Aktionen Mittel eingeplant. Zum Beispiel 30 000 Mark für den Heinz-Westphal-Preis, den wir heute zum ersten Mal vergeben. Und wir stehen den Kommunen mit Broschüren, einer Wanderausstellung und einer Datenbank im Internet zur Seite. Sie soll helfen, das vorhandene Potenzial an bürgerschaftlichen Engagement zu organisieren. Außerdem haben wir die Übungsleiterpauschale erhöht. Davon betrifft nicht mehr nur die klassischen Sporttrainer, sondern viele Freiwillige auch in anderen Bereichen.

Die Opposition kritisiert, dass das 630-Mark-Gesetz das ehrenamtliche Engagement nicht gerade fördert.

Mit diesem Gesetz ist endlich die Aufsplittung von Arbeitsverhältnissen in nicht versicherungspflichtige Jobs gestoppt worden und die Entwicklung läuft wieder zu Teilzeitarbeitsplätzen. Das ist erfreulich. Allerdings wird über das Thema Aufwandsentschädigung noch diskutiert.

Wie sehen Sie das Verhältnis von Erwerbs- und Freiwilligenarbeit?

Bürgerschaftliches Engagement ersetzt nicht die Erwerbsarbeit, kann es nicht und will es nicht.

Gibt es ein Land, das Sie für vorbildlich halten?

Beispielgebend sind die Niederlande. Dort gibt es ein eigenes Berufsbild des Freiwilligen-Managers, der auch gezielt Langzeitarbeitslose anspricht und sehr eng mit der Wirtschaft zusammenarbeitet.

Wir haben viel von der amerikanischen Debatte um Kommunitarismus und Zivilgesellschaft gelernt.

Wozu brauchen wir überhaupt Menschen[die sic]

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