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1991 löste der Angriff auf Asylbewerber weltweit Schlagzeilen aus

© dpa

23 Jahre nach dem Angriff: Hoyerswerda soll neues Asylbewerberheim bekommen

Die Bilder von 1991 aus Hoyerswerda sind unvergessen. Jetzt soll die Stadt wieder ein Asylbewerberheim bekommen. Gleichzeitig läuft ein Prozess gegen acht Rechtsextreme, die ein Paar, das sich gegen Fremdenfeindlichkeit engagiert hatte, aus seiner Heimat vertreiben wollten.

Wieder einmal Hoyerswerda. Die Bilder des 17. September 1991, als dort ein Asylbewerberheim angegriffen wurde, sind unvergessen. Bürgerkriegsähnliche Zustände herrschten, nach tagelangen Krawallen mussten 230 Mosambikaner und Vietnamesen unter Polizeischutz die Stadt verlassen. Es war das erste Mal nach der Wiedervereinigung, dass eine Stadt in Deutschland negativ mit Gewalt gegen Ausländer auffiel. Erstmals sollen nun wieder Flüchtlinge in ein Asylbewerberheim nach Hoyerswerda kommen. Eine Chance und ein gutes Zeichen für die Stadt, könnte man meinen. Wenn da nicht fast zeitgleich ein Prozess gegen acht Rechtsextreme wäre, der bundesweit Schlagzeilen gemacht hat – die Polizei hatte einem Paar nahegelegt, wegen der Bedrohung durch die Neonazis die Stadt zu verlassen.

Flucht auf Polizeiempfehlung

Acht Männer stehen am heutigen Montag wieder vor Gericht, weil sich der Prozessauftakt Mitte Januar verschoben hatte. Die Rechten sollen im Oktober 2012 ein junges Paar angegriffen haben. Den Männern wird Beleidigung und Bedrohung vorgeworfen. Die Opfer Ronny S. und Monique L. treten als Nebenkläger auf. Das Paar hatte sich gegen Rechtsextremismus engagiert und nach eigenen Aussagen Nazi-Aufkleber von Ampeln, Lichtmasten und Mülleimern in der Stadt gekratzt. Tatsächlich leben die beiden nun nicht mehr in ihrer Heimatstadt, sondern an einem geheim gehaltenen Ort.

Nun wird die Nacht, in der Ronny S. und Monique L. auf Empfehlung der Polizei fliehen mussten, im Gerichtssaal neu aufgerollt. Ronny S. und Monique L. sind beide 34 Jahre alt. Am 17. Oktober 2012 standen Neonazis plötzlich vor der Haustür des Paares. Im Treppenflur klebten die Männer die Spione an den Wohnungstüren der Nachbarn zu und drehten die Sicherungen raus. Ronny S. und Monique L. wurden durch ihre Haustür bedroht. Laut Anklage fielen Sätze wie: „Komm runter, Du Ratte, Du Antifa-Sau, wir zerstören Dich!“ Einer der Angeklagten soll Monique L. zudem angedroht haben, sie zu vergewaltigen. Das Paar musste zweimal bei der Polizei um Hilfe rufen.

Als die schließlich gekommen war, nahm sie die Personalien der Beteiligten nicht auf. Stattdessen wurden die Polizisten ausgelacht. Das bestätigen die Beamten am ersten Verhandlungstag im Zeugenstand. Den Platzverweis, den sie aussprachen, ignorierten die Neonazis. Dass die jungen Männer Rechtsextreme sind, wollten die Polizisten nicht erkannt haben. Noch in der Nacht empfahl die Polizei dem Paar, die Stadt zu verlassen. „Es ist einfacher, zwei Leute wegzubringen als 30 Leute zu bewachen“, hieß es damals vom Pressesprecher der Polizeidirektion. Warum der Staatsschutz-Beamte damals diese Empfehlung ausgesprochen hat, wollte er nicht sagen: Vor Gericht hat er die Aussage darüber verweigert. Nur drei der Beschuldigten wollten sich zu den Vorwürfen äußern. Sie gaben zu Protokoll, an dem betroffenen Abend betrunken gewesen zu sein. Das bestätigten auch Polizisten im Zeugenstand. Einer von ihnen sagte, es sei eine oft praktizierte Methode bei Beschuldigten aus der rechten Szene, sich auf ihre Trunkenheit zu berufen, um Erinnerungslücken zu begründen.

Neue Unterkunft für bis zu 120 Flüchtlinge in Hoyerswerda

Der Alkoholpegel spielte auch 1991 eine Rolle, als acht Neonazis auf dem Marktplatz von Hoyerswerda vietnamesische Händler angriffen. Die Betroffenen flüchteten daraufhin in ein Wohnheim für Vertragsarbeiter, vor dem sich innerhalb weniger Stunden dutzende junge Neonazis einfanden und begannen, Parolen zu rufen und Steine zu werfen. Erst nach Stunden traf die Polizei ein und riegelte das Gebäude ab. Doch nur einen Tag später griffen die Neonazis das Wohnheim erneut mit Steinen und Molotow-Cocktails an. Anwohner gesellen sich hinzu und sehen entweder tatenlos zu oder klatschen Beifall. Am 20. September 1991 notierte das Landratsamt Hoyerswerda: „Es besteht einheitliche Auffassung dazu, dass eine endgültige Problemlösung nur durch Ausreise der Ausländer geschaffen werden kann.“ Am Morgen des 21. September wurden die Flüchtlinge schließlich unter Polizeibegleitung mit Bussen auf Unterkünfte im Umland verteilt. Bei den Ausschreitungen wurden 32 Menschen verletzt. 82 Personen wurden vorläufig festgenommen, vier Personen später verurteilt.

Initiative in Hoyerswerda möchte Flüchtlinge unterstützen

23 Jahre später lässt der Landkreis Bautzen in Hoyerswerda für 900 000 Euro wieder ein Asylbewerberheim herrichten. Die Albert-Schweitzer-Förderschule, die gleich neben der katholischen Kirche liegt, soll umgebaut werden und bis zu 120 Flüchtlingen eine Unterkunft bieten. Der katholische Pfarrer will seine neuen Nachbarn nicht „Asylbewerber“ nennen. „Sprechen wir vielmehr von Gästen in Not“, sagt Peter Paul Gregor. Und er ist nicht der Einzige, der sich engagiert.

Eine Initiative mit dem Namen „Hoyerswerda hilft mit Herz“ hat sich gebildet. Lehrer wollen kostenlosen Deutschunterricht erteilen, die Sportvereine wollen Kinder und Jugendliche integrieren, ein Begegnungscafé soll eröffnet werden. Hoyerswerda will dieses Mal besser vorbereitet sein. Dass in derselben Stadt gerade ein Prozess gegen Rechtsextreme läuft und die Polizei Opfern rät, Hoyerswerda zu verlassen, mag nicht wirklich zu diesem Bild passen.

Markus Kremser

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