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Hier noch zugewandt, inzwischen einander abgeneigt: Beate Zschäpe (von hinten) mit ihren ersten Verteidigern (v.l.) Anja Sturm, Wolfgang Stahl und Wolfgang Heer.

© Peter Kneffel/dpa

243. Verhandlungstag im NSU-Prozess: Geplante Aussage von Zschäpe wird verschoben

Die Hauptangeklate im NSU-Prozess Beate Zschäpe wird nicht an diesem Mittwoch aussagen. Richter Manfred Götzl hat den Prozess bis nächsten Dienstag unterbrochen.

Von Frank Jansen

Die für diesen Mittwoch angekündigte Aussage von Beate Zschäpe im NSU-Prozess wird verschoben. Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl unterbrach die Hauptverhandlung bis Anfang kommender Woche. Zuvor war die Hauptverhandlung in massive Turbulenzen geraten. Drei der vier Anwälte der Hauptangeklagten beantragten am Dienstag im Oberlandesgericht München, von der Pflichtverteidigung entbunden zu werden. Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm sehen in der geplanten Einlassung der mit ihnen zerstrittenen Mandantin eine Änderung der Verteidigungsstrategie, ohne von Götzl in seine Gespräche mit Zschäpes vierten Anwalt, Mathias Grasel, einbezogen worden zu sein.

Außerdem stellten die Verteidiger des mitangeklagten Ex-NPD-Funktionärs Ralf Wohlleben ein Ablehnungsgesuch gegen die Richter des 6. Strafsenats. Aus Sicht der Anwälte Wohllebens wird Zschäpe nicht mehr ordnungsgemäß verteidigt. Das wirke sich auch auf Wohlleben aus.

Verteidigung in "unzulässiger Weise beschränkt"

Zschäpes Anwälte Heer, Stahl und Sturm monierten in ihrem Antrag auf Entpflichtung, der Strafsenat habe die Verteidigung „in unzulässiger Weise beschränkt“, da er „uns jegliche Informationen über die ihm offensichtlich seit längerem bekannte Absicht der Mandantin, die Verteidigungsstrategie grundlegend zu ändern, vorenthielt“. Das Gericht gehe offenbar selbst „von einem irreparabel zerrütteten Vertrauensverhältnis aus“. Für Heer, Stahl und Sturm sind ihre Bestellungen als Verteidiger „nur noch Fassade und dienen erkennbar nur der Aufrechterhaltung des Scheins einer ordnungsgemäßen Verteidigung“.

In ihren Vorwürfen bezogen sich Heer, Stahl und Sturm zunächst auf ein Gespräch Götzls mit Grasel im Oktober. Die drei Anwälte hatten bei einem Prozesstag mitbekommen,  dass sich ihr Kollege mit dem Richter unterhielt. Heer, Stahl und Sturm blieben jedoch außen vor.

Die Empörung der drei Anwälte bekam zudem gleich am Dienstagmorgen weitere Nahrung. Götzl teilte in einer kurzen „Information“ den Prozessbeteiligten mit, bereits am 31. August habe ihm der Münchner Anwalt Hermann Borchert gesagt, Zschäpe denke an eine schriftliche Einlassung. Borchert ist ein Kanzleikollege Grasels und steht schon länger mit Zschäpe in Kontakt. Ein Beteiligter des NSU-Verfahrens war Borchert jedoch zumindest bis Anfang November offenbar nicht. Zschäpes Anwältin Sturm will nun am Dienstag gehört haben, Borchert habe seine Verteidigung dem Gericht angezeigt. Eine offizielle Bestätigung erhielt der Tagesspiegel allerdings nicht.

Heer, Stahl und Sturm nicht über Gespräche mit Borchert informiert

Götzls Gespräch mit Borchert war bislang nicht bekannt. Der Vorsitzende Richter scheine an der Verteidigung vorbei „eine gesonderte Akte geführt zu haben“, kritisierte Sturm. Götzl wäre verpflichtet gewesen, die drei Verteidiger über seine Gespräche mit Grasel und Borchert zu einer Aussage Zschäpes umfassend zu informieren. Sturm verwies auf die Anfragen, die sie sowie Heer und Stahl Ende Oktober mündlich und schriftlich gestellt hatten.

Die drei Anwälte hatten bereits am 20. Juli Anträge auf Entpflichtung gestellt. Zuvor hatte sich der Konflikt zwischen den Verteidigern und Zschäpe zugespitzt. Götzl berief dann Grasel als vierten Pflichtverteidiger, um den Fortgang des Prozesses zu gewährleisten. Heer, Stahl und Sturm fühlen sich seitdem ausgegrenzt. Zschäpe redet nicht mehr mit ihnen, die Kommunikation der drei Anwälte mit Grasel ist schwierig. Schon die Entbindungsanträge der Verteidiger im Juli waren eine deutliche Reaktion.

Der Strafsenat lehnte es jedoch ab, Heer, Stahl und Sturm zu entlassen, da sie in ihren Anträgen kaum Gründe genannt hatten. Die Anwälte sahen sich weiterhin verpflichtet, über das Mandatsverhältnis im Detail zu schweigen, obwohl Zschäpe schon nicht mehr mit ihnen sprach.

Vortrag der Einlassung nach Entscheidung über Befangenheitsantrag

Wann nun Grasel eine schriftlich formulierte Einlassung Zschäpes vorträgt, ist offen. Erst müssen andere Richter eine Entscheidung zum Befangenheitsantrag gegen Götzl und die Kollegen des 6. Strafsenats treffen. Wird das Ablehnungsgesuch zurückgewiesen, was zu vermuten ist, kann der Senat seinerseits über den Antrag von Heer, Stahl und Sturm auf Entpflichtung befinden. Sollte auch dieser Antrag scheitern, wäre zumindest theoretisch schon kommenden Dienstag die Einlassung Zschäpes über Grasels  Vortrag möglich. Der Anwalt  kündigte am Dienstag im Prozess an, Zschäpe werde umfassend aussagen. Die Mandantin wolle auch auf Fragen des Strafsenats antworten, nicht aber auf die der Nebenkläger und ihrer Anwälte.

Die Chronik des gesamten NSU-Prozesses können Sie hier nachlesen.

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