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30 000 Fälle: AOK wirft Apothekern Abrechnungsbetrug vor

Nach Angaben der Krankenkasse haben Apotheken im Juni in mehr als 30 000 Fällen ein Medikament abgerechnet, das gar nicht auf dem Markt war.

Es könnte nur die „Spitze des Eisbergs“ sein, vermutet die Krankenkasse. „Was an Patienten tatsächlich abgegeben wurde, ist bisher nicht bekannt“, sagte AOK-Sprecher Udo Barske am Freitag. Es stehe „zu befürchten, dass eine Vielzahl von Apotheken hier bewusst und systematisch vorgegangen ist“. Die Kasse prüfe nun Umfang und Tragweite des Betrugs und werde dann die Staatsanwaltschaften einschalten. Womöglich gebe es ja vergleichbare Falschabrechnungen auch in anderen Fällen und in einem noch deutlich größeren Maßstab.

Nach Tagesspiegel-Informationen handelt es sich bei dem falsch abgerechneten Mittel um den Blutdrucksenker Metoprolol Succinat des Herstellers Betapharm. Die Augsburger Firma hatte sich damit zwar bei den Rabattverträgen der AOK den Zuschlag geholt, das Medikament dann aber monatelang nicht liefern können. Für diesen Fall ist zwar vorgesehen, dass die Apotheker den Patienten ein anderes, wirkstoffgleiches Mittel aushändigen. Sie müssen dies dann allerdings auch so auf dem Rezept dokumentieren, begründen und mit der Kasse abrechnen.

Dabei gehe es nicht nur ums Geld, sondern insbesondere um die Sicherheit der Patienten, betonte Barske. Komme es etwa zu einer Rückrufaktion wegen Verunreinigung oder fehlerhafter Produktion, müssten die Betroffenen schnell informiert werden. Wenn man dann nicht zurückverfolgen könne, wer in der Apotheke welches Medikament erhalten habe, sei dies „schlichtweg nicht möglich“.

Im Normalfall fielen falsch abgerechnete Medikamente den Kassen gar nicht auf, räumte der AOK-Sprecher ein. Der Hinweis kam vom Hersteller, der den Kassen für die angeblich abgegebenen Mittel den gesetzlich vorgegebenen Preisabschlag überweisen sollte. „Auf diese Weise hat sich der Schleier mal kurz gehoben“, sagte Barske.

Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände wies dies als Unterstellung zurück. Und Sprecher Thomas Bellartz empörte sich auch darüber, dass die AOK die Falschabrechnungen überhaupt publik gemacht hat. Wenn es solche Versehen gebe, könnten die Kassen die fehlerhaften Rezepte einfach zurückschicken und korrigieren lassen, sagte Bellartz dem Tagesspiegel. Schließlich habe man sich mit der AOK im Zusammenhang mit den Rabattverträgen auf eine Friedenspflicht verständigt. Weder Patienten noch Apotheker sollten unter den „teils katastrophalen Lieferausfällen der AOK-Partner“ zu leiden haben.

Allerdings gibt Bellartz zu, dass es sich bei mancher Falschabrechnung „womöglich nicht nur um ein Versehen handelt“. Denkbar sei auch „eine Art stiller Widerstand“ gegen nicht funktionierende Rabattverträge. Es könne ja nicht sein, dass eine Kasse ihren 25 Millionen Versicherten Medikamente verordne, die monatelang nicht lieferbar seien. Ins gleiche Horn stieß der Deutsche Apothekerverband. Dessen Vorsitzender Fritz Becker nannte es „grotesk, wenn die AOK Verträge mit Herstellern abschließt, die nicht eine einzige Packung liefern können – und am Ende die Apotheken für die Folgen verantwortlich gemacht werden.“ Die Apotheker hätten sich „bemüht, wirkstoffgleiche Präparate abzugeben – und damit die Versorgung der AOK-Patienten sichergestellt“. Allerdings müssten fehlerhafte Dokumentationen „korrigiert und klargestellt“ werden. Ob die Apotheker davon auch finanziell profitiert hätten, müsse der Einzelfall zeigen, meint Bellartz. Die Patientensicherheit sei kaum gefährdet gewesen. Auch bei falsch beschrifteten Rezepten könne jeder Apotheker die Arzneiausgabe in seiner internen Dokumentation zurückverfolgen.

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