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Nach der Wahl im November empfing Präsident Barack Obama seinen Nachfolger Donald Trump im Weißen Haus, um die Übergabe mit ihm zu besprechen. Foto: Kevin Lamarque/Reuters

© REUTERS

32 Tage nach der US-Wahl: Der Parallelpräsident

Donald Trump ist noch nicht vereidigt, versucht aber jetzt schon präsidiale Politik zu machen – und Amtsinhaber Obama zu verdrängen. Eine Analyse.

Wer regiert die USA? Der amtierende Präsident Barack Obama oder sein gewählter, aber noch nicht vereidigter Nachfolger Donald Trump? Dem Neuen gilt das öffentliche Interesse, ihm widmen die Medien mehr Schlagzeilen als dem bald ausscheidenden Amtsinhaber. Das war auch früher so in der Übergangszeit zwischen der Wahl Anfang November und der Amtsübergabe am 20. Januar.

Obama trat 2008 nicht in Konkurrenz zu Bush

Im Dezember 2008 strömten die Journalisten zu den Pressekonferenzen des „Obama Transition Teams“ in einem angemieteten Gebäude in Washington. Der Briefing Room des Weißen Hauses war in George W. Bushs letzten Wochen nahezu verwaist. Damals wie heute wollen die USA, ihre Verbündeten und ihre Gegner wissen, was sie erwartet: Wer wird die entscheidenden Ministerien leiten, wer sind die wichtigsten Berater, wo ist mit Politikwechseln zu rechnen?

Eines ist heute anders: Trump nutzt nicht nur diese bekannte Dynamik. Er zeigt einen erstaunlichen Ehrgeiz, sich schon jetzt in den Vordergrund zu schieben, als regiere er bereits. Diese Attitüde hatte Obama 2008 vermieden. Angesichts der sich verschärfenden Wirtschaftskrise, der Zwangsversteigerung überschuldeter Häuser und Massenentlassungen bemühten sich Bush und Obama um eine möglichst reibungslose Vorbereitung des Regierungswechsels.

Von Carrier bis Boeing: Viel Pose mit wenig Substanz

In der vergangenen Woche hat Trump mehrfach so getan, als treffe er bereits präsidiale Entscheidungen, obwohl er noch nicht im Amt ist. Im sogenannten „Carrier Deal“ in Indiana trat er als Retter amerikanischer Arbeitsplätze auf. Per Telefon und Twitter leitete er eine Wende der Chinapolitik der USA ein. Er telefonierte mit Taiwans Präsidentin; das hatte es auf dieser Ebene seit vier Jahrzehnten nicht mehr gegeben. Per Tweet bekräftigte er den härteren Umgang mit China. Peking nehme in der Währungspolitik und beim Ausbau von Militärbasen im Chinesischen Meer keine Rücksicht auf US-Interessen; warum solle er das umgekehrt tun? Dann kündigte er an, die Bestellung einer neuen „Air Force One“, des Präsidentenflugzeugs, zu stoppen – wegen angeblicher Kostenüberschreitung.

Dieses Agieren ist neu, aber zum Gutteil Pose mit wenig Substanz. Es zeigt erneut seinen Geltungsdrang und lockeren Umgang mit Fakten. Trump habe gar nicht so viele Arbeitsplätze bei der Kühltechnikfirma Carrier vor der Verlagerung nach Mexiko gerettet, wie er behaupte, wandte Gewerkschaftschef Chuck Jones ein. Boeing protestierte gegen die Darstellung im „Air Force One“-Tweet. Bisher gebe es nur den Auftrag, die Anforderungen an eine moderne Präsidentenmaschine in Bauplänen festzuzurren, Wert: 170 Millionen Dollar; keinen Bauauftrag im Milliardenwert, den ein Präsident stoppen könne. Gegenüber Peking lenkte Trump bald wieder ein: Er wolle Terry Branstad, einen Freund des chinesischen Präsidenten Xi, zum US-Botschafter dort ernennen.

Obama: America has one President at a time

Die Frage, ob es in der Übergangszeit eine „doppelte Präsidentschaft“ gebe, hatten die Medien auch 2008 gestellt. Obama verneinte entschieden: „America has one President at a time.“ Er handele mit dem Ziel, sich bestmöglich auf die Regierung vorzubereiten. Bis zum 20. Januar liege alle Entscheidungsmacht bei Bush. Trump setzt einen anderen Ton.

Falls Trump es darauf anlegt, schon jetzt ein „Parallelpräsident“ zu sein, muss er einkalkulieren: Obama ist ein mächtigerer Amtsinhaber, als Bush es 2008 war. In den zweieinhalb Monaten Übergangszeit interessierte sich die Öffentlichkeit für Bush nur einmal: als ein Journalist in Bagdad einen Schuh nach ihm warf und er reaktionsschnell auswich. Obama macht immer noch Schlagzeilen: mit seinem Abschiedsbesuch in Griechenland und Deutschland, mit seiner Rede zur richtigen Strategie in der Terrorabwehr. Und demnächst mit seinem historischen Auftritt mit Japans Premier Shinzo Abe in Pearl Harbor. Der Angriff auf Hawaii vor 75 Jahren hatte zum Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg geführt.

Ein "President elect" macht Personalpolitik

Die „Air Force One“ und der „Carrier Deal“ werden wohl wenig Bedeutung in Trumps Präsidentschaft haben. Was wird in der Chinapolitik den Ausschlag geben: der harte Ton zu Taiwan oder die versöhnliche Botschafterauswahl? Personalentscheidungen sind das Feld, auf dem ein „President elect“ in der Übergangszeit Politik macht. Obama hatte sein ganzes Team Mitte Dezember 2008 vorgestellt. Bei Trump fehlt noch manche prominente Personalie wie der Außenminister. Auch er ist aber relativ schnell.

Die inhaltlichen Signale sind gemischt. Trump zeigt eine Vorliebe für Ex-Militärs, Skeptiker des Klimawandels und Gewerkschaftsgegner. John Kelly (66), früher Vier-Sterne-General der US-Marines und Leiter des Gefangenenlagers Guantánamo, soll das Heimatschutzministerium führen. Er ist der ranghöchste Militär, der einen Sohn im Afghanistankrieg verloren hat. Scott Pruitt, Befürworter fossiler Energien, soll die Umweltschutzbehörde EPA leiten. Andrew Puzder, Chef der Fast-Food-Ketten Hardee’s und Carl’s Jr., ist als Arbeitsminister vorgesehen. Er lehnt die Erhöhung des Mindestlohns ab.

Langsam gehen nach einer Analyse des Nachrichtenportals „Politico“ die Auswahl von Behördenleitern und die Vorbereitung der Amtsübergabe voran. Im Weißen Haus wundert man sich, dass es nur wenige Übergabegespräche zwischen bisherigen und künftigen Zuständigen gab.

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