zum Hauptinhalt

Politik: 390 Millionen Euro für Gaza

EU will Gespräche zwischen Olmert und Abbas / Hamas: Auch Palästinenser tragen zum Chaos bei

Die Europäische Union setzt sich für direkte Gespräche zwischen dem israelischen Ministerpräsidenten Ehud Olmert und Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas ein. Der andauernde militärische Konflikt habe gezeigt, dass niemand ihn gewinnen könne, sagte die für die Außenpolitik der EU verantwortliche Kommissarin Ferrero-Waldner vor einem informellen Treffen der EU-Außenminister in Finnland am Freitag. Bei dem Treffen soll es um die Einschätzung und Stärkung der Rolle der Europäer in Nahost gehen.

In Stockholm stellte gleichzeitig eine Geberkonferenz 390 Millionen Euro für die Palästinenser bereit. Der UN-Koordinator für humanitäre Hilfe, Jan Egeland, hatte die Lage im Gazastreifen als eine „tickende Zeitbombe“ beschrieben. Israels zweimonatige Militäroffensive gegen die Palästinenser im Gazastreifen hat etwa 200 Palästinenser das Leben gekostet, Infrastruktur wie Brücken, Straßen und das einzige Stromwerk Gazas wurden zerstört, alle Aus- und Eingänge von Gaza fast hermetisch abgeriegelt. Eine palästinensische Splittergruppe hatte zuvor im Juni einen israelischen Soldaten gefangen genommen.

Da die EU die von der islamistischen Hamas geführte Regierung boykottiert, haben die meisten Angestellten der Autonomiebehörde seit März kein Gehalt mehr erhalten. Etwa 80 Prozent der Bevölkerung leben heute unter der Armutsgrenze. Nach Angaben Ferrero-Waldners sind mittlerweile Hilfszahlungen angelaufen, die bis zu 625 000 Menschen zugute kommen sollen. Die EU-Initiative solle der erste Schritt zur Wiederaufnahme eines Friedensprozesses sein.

Angesichts der katastrophalen humanitären Lage ist es umso überraschender, dass ein hohes Hamas-Mitglied diese Woche palästinensische Gruppen mitverantwortlich machte für das Chaos im Gazastreifen, in dem eine Million Menschen leben. Der Regierungssprecher der Hamas-Regierung, Ghazi Hamad, hatte in einem Artikel bedauert, dass Gaza unter dem „Joch der Anarchie und den Schwertern von Banditen“ leiden müsse. „Wir alle sind von einem Bazillus der Dummheit angesteckt worden und haben jeden Orientierungssinn verloren“, heißt es in dem Text weiter, der in der palästinensischen Tageszeitung „Al Ayyam“ erschien. Der frühere Journalist, der keine Berührungsängste mit Israel hat und im israelischen Radio Interviews in Hebräisch gegeben hat, kritisiert vor allem die bewaffneten Gruppen: „Habt Gnade mit Gaza. Lasst es ein wenig atmen. Lasst Gaza leben.“

Hamad bezeichnet seinen Artikel als „persönlichen Kommentar“ und keine Position der Regierung unter Ministerpräsident Ismael Haniya, als dessen Vertrauter Hamad jedoch gilt. „Mich interessiert es nicht, die Brutalität und Hässlichkeit der Besatzung zu diskutieren“, schrieb Hamad weiter. „Sie ist kein Geheimnis. Vielmehr fordere ich Selbstkritik und Selbsteinschätzung. Wir sind daran gewöhnt, unsere Fehler anderen in die Schuhe zu schieben.“

Während Israels Presse auf Hamad angesprungen ist und ihn auf die Titelseiten hob, kommentierte die arabische Welt ihn kaum. Noch immer ist Selbstkritik dort wenig verbreitet. Umso ungewöhnlicher, dass innerhalb einer Woche nicht nur der Hamas-Regierungssprecher sie öffentlich aussprach, sondern auch der Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah. Möglicherweise aus taktischen Gründen räumte er im Fernsehen ein, die harte Reaktion Israels habe ihn überrascht.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false