zum Hauptinhalt

Politik: 500 000 protestieren in Florenz gegen US-Kriegspläne

Friedliche Demonstration zum Abschluss des Europäischen Sozialforums / Grünen-Abgeordneter Ströbele kritisiert indirekt seine eigene Partei

Florenz. Mit einer Großdemonstration gegen den drohenden Krieg im Irak ist am Samstag in Florenz das erste „Europäische Sozialforum“ (ESF) der Globalisierungskritiker zu Ende gegangen. Nach Schätzungen der Polizei folgten etwa 500 000 Menschen aus aller Welt dem Aufruf der Organisatoren des ESF, darunter auch Parlamentarier etablierter Parteien wie der Bundestagsabgeordnete der Grünen, Hans-Christian Ströbele.

Bis zuletzt hatten Gegner des Sozialforums die Gefahr anarchistischer Ausschreitungen herauf beschworen. Doch war schon im Verlauf der 340 Seminare und Workshops am Donnerstag und Freitag deutlich geworden, dass die über 60 000 in der Toskana versammelten Politiker, Gewerkschafter und Aktivisten zahlreicher Organisationen andere Ziele hatten: Nämlich eine Bewegung, die sich im Moment in fast chaotischer Vielfalt präsentiert, zu einer wirkungsvollen Einheit zu schmieden. Überall, auch auf der Demonstration, war der Slogan für dieses Bemühen zu lesen: „Globalisiert den Widerstand!“ Die Demonstration verlief ohne Zwischenfälle.

Vorausgegangen war am Freitagabend die Abschlussveranstaltung des Sozialforums in der überfüllten Messehalle des Fortezza da Basso von Florenz. Dabei ging der Auftritt des Grünen Ströbele, der wie immer im Jackett und mit langem, rotem Schal erschienen war, fast unter gegenüber der feurigen Rede des Parteichefs der italienischen „Rifondazione comunista“. „Politik beginnt auf den Straßen und den Plätzen“, rief der 62-jährige Fausto Bertinotti und fügte unter dem Jubel der Zuhörer hinzu, dass die „kapitalistische Globalisierung alle ihre Versprechen gebrochen“ habe.

Ströbeles Rede wirkte dagegen wie eine Bitte um Verzeihung. Der Beifall hielt sich in Grenzen, auch, weil viele der 10 000 Zuhörer im Saal keine Übersetzungsgeräte ergattern konnten. Er müsse feststellen, „dass eine Partei, die zu lange im Parlament ist, Teil des Establishments zu werden droht“, sagte Ströbele, ohne die Grünen namentlich zu nennen. Dann kündigte er an, unter keinen Umständen für einen Krieg gegen den Irak zu stimmen: „Es gibt keine Rücksicht gegenüber irgendeinem Koalitionspartner, die mich zu einem Ja veranlassen könnte. Deshalb werde ich hier auch demonstrieren.“

Am Samstagnachmittag begann der Umzug der etwa 500 000 Demonstranten, diskret bewacht von 6000 Polizisten und 1400 Ordnungskräften der Gewerkschaften. Um die Teilnehmer nicht zu provozieren, wurde auf den Einsatz von „Carabinieri“ verzichtet. Der Schmerz über den Tod von Carlo Giuliani, der 2001 in Genua von Carabinieri erschossen worden war, ist in der Bewegung noch längst nicht überwunden. Unter den Demonstranten war auch Haidi Giuliani, Carlos Mutter.

Peter Linden

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false