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Politik: 550 Millionen Euro für arme Kinder

Familienministerin von der Leyen will den Kinderzuschlag für Geringverdiener erweitern – SPD ist dafür

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) will neben dem Ausbau von Krippenplätzen erwerbstätigen Eltern mit sehr kleinen Einkommen auch zu mehr Geld verhelfen. Schon ab 2008 will die Ministerin dafür gut eine halbe Milliarde Euro pro Jahr ausgeben. Den Betrag von rund 550 Millionen Euro hat von der Leyen bei Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) vor den Haushaltsverhandlungen, die Mitte Mai stattfinden, als Bedarf angemeldet.

Mit dem Geld will von der Leyen den sogenannten „Kinderzuschlag“ massiv ausweiten und damit einen Teil der Koalitionsvereinbarung von Union und SPD umsetzen. Den Kinderzuschlag hatte die rot-grüne Bundesregierung Anfang 2005 eingeführt, um gering verdienende Familien mit Kindern zu unterstützen. Monatlich bis zu 140 Euro pro Kind erhält danach, wer mit Erwerbstätigkeit zwar das eigene Existenzminimum, jedoch nicht das seiner Kinder abdecken kann. 2005 gab der Bund für den Zuschlag 103 Millionen Euro aus. Kann sich von der Leyen mit ihren Vorschlägen durchsetzen, könnten mit dem Geld rund eine halbe Million Kinder aus der Armut herausgeholt werden.

Unterstützung für das Vorhaben findet die Familienministerin bisher vor allem in der SPD. Vizekanzler und Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) sieht den Kinderzuschlag aus der Sicht des Arbeitsmarktes und bezeichnete ihn als „einen wichtigen Baustein“, mit dem er künftig verhindern wolle, dass immer mehr Beschäftigte einen Teil ihres Lebensunterhalts vom Arbeitsamt beziehen müssen, weil das eigene Einkommen geringer als der Hartz-IV-Anspruch für die ganze Familie ist. In der nächsten Woche will die Koalition abschließend in mehreren Arbeitsgruppen über das Thema sprechen. Auch die SPD-Familienpolitikerin Nicolette Kressl bezeichnete den Ausbau des Kinderzuschlages als „wichtiges Instrument, um Kinder aus der Armut und Eltern aus der Arbeitslosigkeit zu holen“. In Deutschland verdienen zurzeit nur rund 55 Prozent der Eltern so viel Geld, dass sie nicht auf ergänzende Leistungen des Arbeitsamtes angewiesen sind, um den Lebensunterhalt für die ganze Familie zu sichern.

Hintergrund des Kinderzuschlages ist die Tatsache, dass sich im Niedriglohnbereich die Aufnahme von Arbeit immer weniger lohnt, je mehr Kinder zu einer Familie gehören. Weil das Arbeitslosengeld II sich nicht nur aus Grundbeträgen für Lebensunterhalt und Wohnung der Eltern, sondern auch der Kinder zusammensetzt, überweisen die Arbeitsagenturen etwa an Familien mit drei Kindern nicht selten monatliche Beträge von 2000 Euro. Einen solchen Nettolohn durch eigene Arbeit zu verdienen, ist vielen Eltern jedoch nicht möglich. Um dieses Festhalten der Familien in der Arbeitslosigkeit aufzubrechen, hatte Rot-Grün den Kinderzuschlag eingerichtet. Denn wer zusätzlich zum Kindergeld 140 Euro pro Kind vom Staat erhält, für den lohnt es sich eher, einen Job statt Hartz IV anzunehmen.

Allerdings gelingt es den Betroffenen bisher kaum, mit ihren Anträgen durchzudringen. Nicht nur, dass das Antragsverfahren umfangreich und kompliziert ist. Auch die Bedingungen, unter denen der Zuschlag für längstens drei Jahre gewährt wird, sind zum Teil so widersprüchlich, dass es kaum Bewilligungen gibt. Bei der Unterrichtung des Kabinetts über den Kinderzuschlag Mitte März war davon die Rede, dass bisher nur einer von zehn Antragstellern – insgesamt rund 130 000 – den Zuschlag erhalten habe. Das wollen Familienministerin von der Leyen und Müntefering nun offenbar ändern. Vorgesehen ist eine Vereinfachung des Antragsverfahrens und eine komplette Überarbeitung der Anspruchsbedingungen.

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