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Am Donnerstag fand am Oberlandesgericht München der 56. Tag im NSU-Prozess statt. Der Zeitplan für November gerät immer mehr aus den Fugen.

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Update

56. Tag im NSU-Prozess: Ballerspiele und scharfe Waffen

Die Zeugin Katrin F., die am Donnertag vernommen wurde, "kann gegen die Frau nichts Schlechtes sagen". Die Frau ist Beate Zschäpe. Die Aussage der Reinigungskraft wirkt bizarr.

Von Frank Jansen

Die Zeugin empfindet offenbar immer noch Sympathie für Beate Zschäpe, trotz der monströsen Vorwürfe der Bundesanwaltschaft gegen die Hauptangeklagte im NSU-Prozess. Katrin F. sächselt, „ich kann gegen die Frau nichts Schlechtes sagen“. Wenn Hausbewohner wenig Geld hatten, „hat sie Lebensmittel besorgt“, für Kinder habe Zschäpe kleine Geschenke mitgebracht. Katrin F. war in Zwickau weniger als ein Jahr Nachbarin von Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, zwischen 2005 bis 2006. Obwohl das eine kurze Zeit ist und schon lange her, scheint die Zeugin immer noch so eingenommen zu sein von Zschäpe, dass sie sich am Donnerstag im Oberlandesgericht München sogar dem Verdacht aussetzt, zu lügen. Die Aussage der Reinigungskraft wirkt bizarr.

Von Mai 2001 bis März 2008 hatten Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt in Zwickau in der Polenzstraße 2 gelebt. Katrin F. bekam einmal mit, dass im Keller des Hauses Mundlos und Böhnhardt, die sich unbeobachtet fühlten, über Waffen sprachen. Nachdem der NSU aufgeflogen war, sagte Katrin F. der Polizei, die zwei Männer hätten damals leise erzählt, „dass sie Waffen in der Wohnung hätten und auf Leute schießen“. Und Katrin F. gab an, sie habe gegenüber ihrem Ehemann geäußert, „nicht dass die mal auf uns schießen“. Im Protokoll steht auch, Katrin F. habe „die Lisa“, so hatte sich Zschäpe in der Polenzstraße genannt, gefragt, ob sie Waffen in der Wohnung hätten - „da sagte sie ,ja’“.

Doch jetzt im Gericht, kaum mehr als zwei Meter von Zschäpe entfernt, bestreitet die Zeugin, sich so geäußert zu haben. Auf Fragen des Vorsitzenden Richters Manfred Götzl sagt Katrin F., sie habe Zschäpe nur „nach Computerspielen gefragt, nicht nach Schießen“.  Die Zeugin bleibt auch bei ihrer Version, als einer der vier Vertreter der Anklage, Oberstaatsanwalt Jochen Weingarten, ihr vorhält, sie habe bei der Polizei ein Vernehmungsprotokoll unterschrieben, in dem es auf anderthalb Seiten um das Thema Waffen gehe. In dem Papier stehe auch, dass Katrin F. Zschäpe gefragt habe, ob die zwei Männer einen Waffenschein hätten, sagt Weingarten und zitiert die protokollierte Antwort der Zeugin: „die Lisa sagte, die sind im Schießverein“. Katrin F. sagt jetzt nichts. Weingarten hakt nach: „Sie sagen nicht gern was Schlechtes über Frau Zschäpe?“ Die Zeugin überlegt nicht lange und wiederholt, „ich kann nichts Schlechtes sagen“.

Auch dass sie aus Zschäpes Wohnung dumpfes Knallen hörte, erklärt Katrin F. mit Computerspielen. „Die haben dann das Zimmer ausgedämmt, damit man das nicht hört, Computerspiele mit Schießereien und so“, sagt sie. Die Zeugin beklagt sich auch nicht, dass Zschäpe ihr unwahre Geschichten erzählte. Zum Beispiel, dass die beiden Männer, einer sei der Freund, der andere sein Bruder, in der Computerfirma des Vaters der beiden tätig seien. Und dass Zschäpe behauptete, sie selbst müsse nicht arbeiten, da die zwei Männer viel verdienten. Der Zeugin, dazu ist sie vermutlich zu schlicht, geht auch nicht auf, wie zynisch gerade die letzte Äußerung wirkt. Zschäpe musste tatsächlich nicht arbeiten – weil Mundlos und Böhnhardt bei Banküberfällen mehr als 600 000 Euro erbeuteten.

Dass Katrin F. nichts Schlechtes über Zschäpe sagen will, erstaunt umso mehr, als Ehemann Martin F. nach ihr als Zeuge auftritt. Er druckst viel herum, bestätigt dann aber, was er im Dezember 2011 der Polizei gesagt hat. Da Zschäpe auf Ausländer schlecht zu sprechen war, „hat sich mein Bruder nicht getraut, uns zu besuchen, denn seine Frau ist Vietnamesin“. Martin F. berichtete der Polizei auch von einem entsprechenden Gesichtsausdruck Zschäpes. Mehr will er am Donnerstag dazu nicht sagen, „das ist für mich eine nervliche Frage“. Und er bestreitet, bei der Polizei angegeben zu haben, für Zschäpe sei die vietnamesische Familie, die im Haus wohnte, „ein rotes Tuch“ und dass sie von „Ausländerpack“ sprach.

Unterdessen hat der Strafsenat das Programm für kommende Woche reduziert. Es soll an den drei Verhandlungstagen nur je ein Zeuge gehört werden. Für Dienstag ist die Mutter des NSU-Mörders Uwe Böhnhardt geladen, die bereits in dieser Woche kommen sollte. Am Mittwoch soll André K. gehört werden. Er ist allerdings einer der Beschuldigten im NSU-Komplex und wird möglicherweise die Aussage verweigern – womit der Verhandlungstag rasch vorüber wäre. Für Donnerstag ist die Vernehmung von Christian K., dem Bruder von André K., vorgesehen. Christian K. war ein Kumpel des Angeklagten Carsten S., der im Prozess den mitangeklagten Ex-NPD-Funktionär Ralf Wohlleben massiv belastet hat.        

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