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Die Einfahrt zum Gelände des Bundesnachrichtendienst (BND) in Pullach bei München.

© Stephan Jansen/dpa

60 Jahre Bundesnachrichtendienst: Anti-Terror-Kampf unter verschärfter Beobachtung

Er hat so schwierige Aufgaben wie kaum jemals zuvor - und muss sich immer wieder mit eigenen Affären auseinandersetzen. Die Bilanz zum BND fällt gemischt aus.

Mitten im weltweiten Anti-Terror-Kampf steckt der Bundesnachrichtendienst (BND) in einer seiner schwersten Krisen. Drei Jahre nach Aufdeckung der NSA-Affäre berichten Sicherheitskreise aus wichtigen operativen Abteilungen von schlechter Stimmung und Frustration im deutschen Auslandsgeheimdienst. Die Kritik aus der Opposition, aber auch aus Regierung und den Regierungsfraktionen von Union und SPD reißt nicht ab.

Zwar haben Affären und Affärchen in den 60 Jahren seit seiner Gründung immer wieder das Image des etwa 6500 Mitarbeiter starken BND belastet. Doch so tiefgreifende Konsequenzen wie die aus der Zusammenarbeit mit dem US-„Datenstaubsauger“ National Security Agency (NSA) dürfte es für die deutschen Spione noch nicht gegeben haben.

Wegen Alleingängen von Abteilungen, mangelhafter interner Kontrolle und schwammiger Rechtsgrundlagen soll der Dienst nach dem Willen von Kanzleramt und Parlament nun an die kurze Leine gelegt werden. Die geplante Reform des BND-Gesetzes nimmt in diesen Wochen immer konkretere Formen an. Teile des Kabinetts fürchten schon, der BND könnte gefesselt werden und seine Aufgaben nicht mehr verantwortungsvoll erfüllen.

BND-Präsident Gerhard Schindler versucht nach vier Jahren im Amt, seiner teils verunsicherten Mannschaft trotz der anstehenden Reformen Selbstbewusstsein einzuimpfen. „Wir in Deutschland scheuen uns ja schon, das Wort Geheimdienst zu gebrauchen“, kritisiert er die Ablehnung, die seinen Leuten in Teilen von Politik und Gesellschaft entgegenschlägt.

Mit dem Druck der NSA-Affäre sei eine längst überfällige Debatte über die Arbeit des BND angestoßen worden, müht sich Schindler, den Enthüllungen des früheren NSA-Mitarbeiters Edward Snowden etwas Positives abzugewinnen. „Ich hoffe, dass am Ende der Diskussion über Sinn und Zweck eines Auslandsnachrichtendienstes auch ein entspannteres Verhältnis zum BND herauskommt.“

Mit mehr Transparenz und einem offensiven Reformkurs will Schindler das Image seines Dienstes als moderner, möglichst wenig geheimniskrämerischer Dienstleister für Regierung und Parlament aufpolieren. Dazu gehört der Umzug in eine neue Zentrale direkt am Rand des Regierungsviertels.

Umzug von Pullach nach Berlin verzögert sich

Nach Pfusch am Bau wird sich der ursprünglich für 2013 geplante Umzug von Pullach nach Berlin jedoch wohl bis 2017 verzögern. Die Baukosten inklusive Technik explodierten von geplanten 730 Millionen auf etwas mehr als 1 Milliarde Euro. Die Gesamtausgaben inklusive Umzug liegen bei 1,3 Milliarden Euro. Zuletzt sorgte 2015 Sabotage am Neubau für erheblichen Spott - Unbekannte hatten Wasserhähne abmontiert, der Sachschaden lag bei einer Million Euro.

Viele strukturelle Probleme in der Organisation seines Dienstes sieht Schindler selbst. Auch deshalb hat er eine Unternehmensberatung engagiert - früher war so etwas undenkbar im Reich der Spione. Die Berater suchen in der umstrittenen Abteilung „Technische Aufklärung“ (TA) nach Verbesserungsmöglichkeiten.

Vor allem aus dieser für die BND-Arbeit zentralen TA-Mannschaft wird nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur über Klagen wegen der anhaltenden Affären-Vorwürfe berichtet. Mitarbeiter reagierten frustriert auf die Vorhaltungen wegen der Zusammenarbeit mit der NSA sowie der Abhöraktionen gegen Partnerländer und -organisationen. „Wir gehören zu den Guten, warum wird unser Einsatz so negativ ausgelegt“, werden Stimmen aus der Abteilung wiedergegeben. Es soll einen hohen Krankenstand geben.

In Kreisen, die für die Kontrolle des Geheimdienstes zuständig sind, wird von einer „Keiner-hat-uns-lieb-Mentalität“ gesprochen. „Das muss professioneller werden“, hält man auch in der Regierung einer solchen Stimmung entgegen. Als positives Signal an die Spione sehen die Verantwortlichen unter anderem die Tatsache, dass der BND bis zum Jahr 2020 einen dreistelligen Millionenbetrag zusätzlich bekommt. Damit soll der Dienst nach Schindlers Vorstellungen zumindest technisch auf Augenhöhe mit seinen europäischen Partnern gelangen.

Bis zum Jahr 2020 will Schindler mit der sogenannten „Strategischen Initiative Technik“ („SIT“) die Fähigkeiten des BND im Internet ausbauen. Dazu ist ein 300 Millionen Euro schweres Bündel von Maßnahmen geplant - auch das ist bei Kritikern wegen Datenschutzbedenken hoch umstritten. In den kürzlich übermittelten Eckwerten des Regierungsentwurfs für den Finanzplan 2017 bis 2020 ist dieses Geld jeweils als Plus gegenüber den bisherigen Planungen eingestellt.

Die Gesamtausgaben des Bundes für den Auslandsgeheimdienst waren schon in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Aus Kapitel 0414 des Bundeshaushalts geht für 2016 hervor, dass der „Zuschuss an den Bundesnachrichtendienst“ von knapp 536 Millionen Euro im Jahr 2014 auf fast 724 Millionen Euro im laufenden Jahr gestiegen ist. Das ist ein Plus von gut 35 Prozent. Auch wenn ein größerer Teil davon in den Neubau der Zentrale geflossen sein dürfte - kaum ein anderer Haushaltstitel verzeichnet derartige Wachstumszahlen.

Kritische Stimmen zum 60.

Die Opposition beklagt gravierende Mängel beim BND und fordert zum 60. Geburtstag des Geheimdienstes dringend einen Kurswechsel. In Teilen des BND habe es unkontrollierte Alleingänge gegeben, die Aufsicht über den Geheimdienst im Kanzleramt habe ebenfalls versagt, sagte der stellvertretende Vorsitzende des Geheimdienst-Kontrollgremiums im Bundestag, André Hahn (Linke), der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Das sind alles keine kleinen Pannen, das sind handfeste Skandale“, beklagte er. Hahn und Geheimdienstexperten der Grünen forderten die Regierung auf, die Mängel abzustellen und zügig die zugesagte Reform anzugehen.

Die NSA-Affäre sei längst auch eine BND-Affäre, sagte der Grünen-Geheimdienstexperte Hans-Christian Ströbele. „Denn wir wissen inzwischen, dass der BND ähnliches getrieben hat wie der US-Geheimdienst.“ Ströbele machte dem BND schwere Vorhaltungen: „Ich habe es nicht für möglich gehalten, dass der BND in dem Ausmaß verheimlicht, irreführt, täuscht und lügt gegenüber dem Geheimdienst-Kontrollgremium.“ Der Grünen-Politiker ist dort auch Mitglied. „Das Image des BND ist mehr als angekratzt und von Skandalen geprägt“, beklagte er.

Auch Hahn sagte: „Das Image des BND hat sehr gelitten in den vergangenen Monaten.“ Die Enthüllungen ließen die Frage aufkommen, ob der BND überhaupt kontrollierbar sei. „Ich habe da im Moment große Zweifel.“ Der BND habe sich in der Vergangenheit verschiedene Dinge ausgedacht, um das Gesetz über seine Befugnisse zu umgehen oder für seine Zwecke auszulegen, und wiederholt gegen deutsche und europäische Interessen verstoßen. Das müsse ein Ende haben. „Deshalb brauchen wir dringend eine neue gesetzliche Regelung.“

Der SPD-Obmann im NSA-Ausschuss, Christian Flisek, sagte im Deutschlandfunk: „Die Bundesregierung hätte dem BND zum 60. Geburtstag mit einem neuen Gesetz ein Geschenk machen können.“ Es sei dringend geboten zu handeln. „Es darf keinen Bereich geben, der nicht kontrolliert wird.“ Bei der Kommunikationsüberwachung sei das derzeit nicht der Fall. Die finde in einer Grauzone statt.

Der Grünen-Politiker Konstantin von Notz beklagte in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“, es sei unverantwortlich, dass die Regierung die seit Monaten angekündigte Reform auf den Sankt-Nimmerleinstag verschoben habe. Der Reformbedarf sei groß. (dpa)

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