zum Hauptinhalt
Ruine der Frauenkirche. Dresden war am 13. Februar 1945 und den beiden folgenden Tagen von britischen und amerikanischen Bombern angegriffen und stark zerstört worden. Bis zu 25.000 Menschen kamen ums Leben. Neonazis rechnen die Opferzahlen künstlich hoch und versuchen, auch damit die Schuld Deutschlands am Zweiten Weltkrieg zu relativieren.

© dpa

70 Jahre nach der Bombardierung von Dresden: Totenmessen und Täterspuren

Das Gedenken an das Dresdner Bombeninferno von 1945 war immer auch eine Auseinandersetzung über den passenden Rahmen Zum 70. Jahrestag am Freitag ist wieder viel geplant – auch weil man den Rechtsextremen keinen Platz lassen will.

Es wird vermutlich so kommen wie jedes Jahr. Obwohl die Rechtsextremen bis zum Donnerstagabend noch keine Demonstration beim Rathaus angemeldet haben, ist damit zu rechnen, dass sie sich an diesem Freitag in Dresden zusammenrotten. Schon wegen des Jubiläums. Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) rechnet jedenfalls mit allem. Dresden sei eben bekannt für sein "dynamisches Versammlungsgeschehen", sagt der CDU-Politiker, der im Juni Oberbürgermeister werden will. Über die Jahre war am Gedenktag der verheerenden Bombardierung alles drin – vom braunen Spuk mit 6500 grölenden Glatzen bis zur Sitzblockade von hunderten Gegendemonstranten, die die Polizei wegtragen musste.

Die Linke boykottiert die zentrale Gedenkfeier wegen der Rede von Joachim Gauck

Zwar prognostiziert Dresdens Polizeipräsident Dieter Kroll für diesen Freitag eine "entspannte Einsatzlage". Zumindest relativ, denn die Polizei hat nach vier Monaten Pegida-Demonstrationen schon Größeres hinter sich. Dennoch ist der 13. Februar immer eine Ausnahmesituation im Dresdner Jahreskalender. An die 25.000 Menschen verloren ihr Leben, als die Stadt im Februar 1945 in Schutt und Asche fiel. Das Gedenken an das Inferno war immer auch eine Auseinandersetzung über das passende Gedenken. Sachsens Linke hat bereits angekündigt, nicht an der zentralen Gedenkveranstaltung in der Frauenkirche teilzunehmen. Man hält den Hauptredner, Bundespräsident Joachim Gauck, für "ungeeignet", erklärt Linken-Landeschef Rico Gebhardt. Gaucks Besuch bedeute eine "neuerliche Überhöhung" des Dresdner Schicksals.

Trotzdem hat sich Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) an diesem Jahrestag viel vorgenommen. Ein "kraftvolles gemeinsames Handeln" aller Demokraten wünscht sie sich: "Bei aller Unterschiedlichkeit verbinden uns der Respekt vor der Würde jedes Menschen und das Eintreten für eine demokratische Gesellschaft." Das gemeinsame Statement war im vergangenen Jahr immerhin so kraftvoll, dass sich die Neonazis von allein verkrümelten. Eine Kundgebung wollten die spärlichen 500 Marschierer gegen den "Bombenholocaust", wie sie ihn nennen, dann auch nicht mehr abhalten.

Zum Zeitpunkt der ersten Angriffswelle kurz vor 22 Uhr läuten alle Kirchenglocken

Zu der Veranstaltung am Nachmittag in der Frauenkirche, die nach ihrer Zerstörung mit Spenden aus aller Welt wiederaufgebaut wurde und nun als Symbol der Versöhnung mit den damaligen Kriegsgegnern gilt, wird neben Gauck auch der Herzog von Kent erwartet. Die Frauenkirche und andere Gotteshäuser laden zu Andachten ein. Zum Zeitpunkt der ersten Angriffswelle kurz vor 22 Uhr läuten alle Kirchenglocken.

Insgesamt sind diesmal 17 Gedenkveranstaltungen angemeldet, ein Kulturfestival der Initiative "Weltoffenes Dresden" oder ein Friedenslauf des Marathon-Vereins zum Beispiel. Der Kreisvorstand der AfD will am Freitagmorgen einen Kranz auf dem Altmarkt niederlegen, mit voraussichtlich 50 Leuten.

Orosz und Bundespräsident Joachim Gauck reihen sich am frühen Freitagabend in die Menschenkette ein, die Punkt 18 Uhr um die Altstadt geschlossen werden soll. 11.000 Menschen erwartet die Stadt zu dieser Massenveranstaltung, die größte am Gedenktag. Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) und Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) haben zur Teilnahme aufgerufen. Es gehe um ein "mahnendes Gedenken, aber auch um ein kraftvolles Zeichen gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und den Missbrauch des Datums durch Rechtsextremisten", schrieben beide im Aufruf.

Alternatives Großereignis wird der Mahngang Täterspuren

Alternatives Großereignis wird der Mahngang Täterspuren, mit dem das Bündnis Dresden Nazifrei an die nationalsozialistische Vorgeschichte der Bombennacht erinnern will. Angesagt haben sich Linken-Chefin Katja Kipping und die Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth (Grüne). Der 13. Februar solle als "Tag des Mahnens vor Ausgrenzung, völkischem Denken und Menschenhass" begangen werden, fordert die Grünen-Landesvorsitzende Christin Bahnert. Der Mahngang mit wahrscheinlich 3000 Teilnehmern setzt sich kurz nach Mittag in Bewegung und endet am späten Nachmittag mit einem Friedensgebet des Jenaer Pfarrers Lothar König "gegen den Opfermythos". König stand bis Herbst in Dresden vor Gericht, die Staatsanwaltschaft warf ihm schweren Landfriedensbruch bei den Anti-Nazi-Protesten im Februar 2011 vor. Das umstrittene Verfahren ist inzwischen gegen eine Geldauflage eingestellt.

Nur noch zwölf Hundertschaften der Polizei sind im Einsatz

Um Straßenschlachten wie 2011 zu vermeiden, setzt die Polizei auf freundliches Überreden. Kommunikationsteams in Uniform sollen in der heißen Zone, rund um den Neumarkt, mit Gesprächsangeboten deeskalieren. Eine oft belächelte Strategie, die indes Kräfte sparen soll. Nur zwölf Hundertschaften sind rund um den Gedenktag im Einsatz – im vergangenen Jahr waren es noch 28.

Christine Keilholz

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false