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Waffen und Nazi-Symbolik in der Wohnung. NSU-Angeklagte Beate Zschäpe.

© dpa

86. Tag im NSU-Prozess: Waffen, Reichskriegsflagge und ein "Brettspiel"

Ein Polizist, der an der Durchsuchung der Wohnung von Beate Zschäpe im Jahr 1998 beteiligt war, schilderte am Mittwoch bizarre Details. Die Verteidigung widerum hält seine Aussage für nicht verwertbar.

Von Frank Jansen

Polizei und Staatsanwaltschaft sahen „Gefahr im Verzug“ und handelten rasch. Nur Stunden, nachdem Polizisten am 26. Januar 1998 in einer Garage in Jena Sprengstoff gefunden hatten, durchsuchten Beamte die Wohnung von Beate Zschäpe. Was sie in der Jenaer Schomerusstraße zu sehen bekamen, war erschreckend: Waffen, eine Reichskriegsflagge und ein Brettspiel mit SS-Runen und Hakenkreuz. Einer der Polizisten, die damals in der Wohnung waren, schilderte am Mittwoch im NSU-Prozess am Oberlandesgericht München bizarrre Details.

Im Wohnzimmer war die Wand hinter dem Sofa mit einer seltsamen Kollektion drapiert. Der Beamte des Bundeskriminalamts zählte auf: ein CO2-Revolver, ein Luftgewehr mit Zielfernrohr, ein Wurfstern, ein Jagdmesser, ein Buschmesser, ein Morgenstern. In der Nähe hing die Kriegsflagge aus dem Kaiserreich, ein klassisches Utensil der rechtsextremen Szene. Und dann lag in der Wohnung das Spiel mit dem Namen „Pogromly“. Er lässt schon ahnen, dass um die Vernichtung von Menschen gewürfelt werden soll.

Auf dem Brett, dem populären „Monopoly“ nachgebildet, prangen SS-Runen und ein Hakenkreuz. Die Spieler sollen aus Berlin, München, Köln und weiteren Städten möglichst viele Juden in Konzentrationslager deportieren. Statt der bei Monopoly üblichen Bahnhöfe können Besitzkarten für die KZ Auschwitz, Buchenwald, Dachau und Ravensbrück gekauft werden. Auf SA- und SS-Karten werden mit brachialen Sprüchen der Nationalsozialismus glorifiziert sowie Juden und Migranten diffamiert. Das Spiel zeigt, was Neonazis wirklich denken: der Holocaust wird nicht geleugnet, er wird  gefeiert.

Als die Polizei in Zschäpes Wohnung einrückte, war die Frau schon weg. Sie war am 26. Januar 1998 gemeinsam mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt untergetaucht, als die Sprengstoff-Garage, von Zschäpe gemietet, von Beamten durchsucht wurde. Die Polizei hatte die Flucht nicht verhindern können. Aber sie holte sich von der Staatsanwaltschaft Gera den Auftrag, Zschäpes Wohnung unter die Lupe zu nehmen. Angetroffen wurde niemand.

Die Verteidiger Zschäpes meinen, die Durchsuchung der Wohnung sei nicht rechtmäßig gewesen, weil die Polizei keine richterliche Genehmigung hatte. Anlass für Gefahr im Verzug, wobei dann der Auftrag der Staatsanwaltschaft reicht, ist nach Ansicht der Anwälte dem Durchsuchungsbeschluss nicht zu entnehmen. Also widersprachen sie der Verwertung der Aussage des Polizisten für die Beweisaufnahme im NSU-Prozess.

Die Verteidiger monieren auch, die Polizei habe nicht untersucht, ob außer Zschäpe sonst noch jemand die Wohnung genutzt haben könnte. Was die Anwälte damit sagen wollen, ist offenkundig: Uwe Böhnhardt, mit dem Zschäpe damals liiert war, oder Uwe Mundlos könnte für die Waffen, die Reichskriegsflagge und das Pogromly-Spiel verantwortlich sein. Im November hatte ein Jenaer Neonazi, auch er ein Beschuldigter im NSU-Komplex, im Münchener Prozess ausgesagt, vermutlich Mundlos habe das Brettspiel entworfen. Mit dem Verkauf von Pogromly-Exemplaren an Leute aus der rechten Szene hätten sich die drei Flüchtigen eine Finanzierungsquelle für das Leben im Untergrund schaffen  wollen. Funktioniert hat das nicht. Im Dezember 1998 begingen Mundlos und Böhnhardt den ersten Raubüberfall. In einem Supermarkt in Chemnitz erbeuteten sie 30 000 D-Mark.       

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