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Der Politiker Hans-Jochen Vogel (SPD) feiert seinen 90. Geburtstag.

© dpa

90. Geburtstag: Hans-Jochen Vogel: der Baumeister

Partei- und Fraktionschef, Abgeordneter für Berlin - und auch für kurze Zeit Regierender Bürgermeister: Der Sozialdemokrat Hans-Jochen Vogel wird 90.

Es wird ihm gefallen, wenn man ihn einen der Baumeister dieser Bundesrepublik nennt. Weniger, weil er unter anderem einmal für zwei Jahre (westdeutscher) Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau war, sondern weil er sich auch selbst so sieht: Hans-Jochen Vogel. Heute wird er 90.

„Vogel Hansi“, so wurde er bisweilen hinter seinem Rücken in Abgrenzung von seinem jüngeren Bruder Bernhard genannt, der auch ein Großer in der Politik war, aber für die CDU. Hans-Jochen, für Freunde „Jochen“, ist dagegen der rote Vogel und einer der Granden der SPD geworden.

Ein Grantler kann er auch sein. Dabei kommt er gar nicht aus Bayern. Er ist in Göttingen geboren, hat mit den Eltern in Gießen gelebt – aber ja, politisch groß geworden ist er in Bayern. Vogel hat Jura studiert, kurz in Traunstein gearbeitet, in der Münchner Staatskanzlei, wurde dann 1960 Oberbürgermeister von München. Das blieb er bis 1972, bis kurz vor den Olympischen Spielen. Die er nach München gelotst hatte. Dazwischen war Vogel wiedergewählt worden, 1966, triumphal. Aber dieser ewige Streit mit der SPD-Linken …

Dann kam Bonn, die Zeit als Bundesminister erst unter Willy Brandt, bis 1974, dann unter Schmidt, bis 1981, als Justizminister. Das Amt war wie geschaffen für ihn: aufgeräumt im Kopf, strukturiert im Denken, geradezu pingelig. Und wehe, einer kam quer! Es war von Wutanfällen zu hören. Das Pingelige hat sich später eher noch verstärkt, weshalb ihn manche „die Klarsichthülle“ schimpften. Halb war Bewunderung dabei: Vogel, pedantisch, war halt eben auch immer sortiert.

Er konnte zum Beispiel in seiner Zeit als SPD-Fraktionsvorsitzender im Bundestag (1983 bis 1991) der Regierung mit deren eigenen Anträgen zusetzen, indem er die zur Wiedervorlage brachte, bloß diesmal auf SPD-Papier. Wenn die christlich-liberale Koalition sie dann ablehnte, donnerte Vogel wieder einmal im Parlament los. Das konnte er nämlich auch: donnernd reden.

Spurenelemente von Humor

So was hat übrigens seinen eigenen Witz. Und es gibt Menschen, die sagen, Vogel habe Humor. Spurenelemente von Selbstironie sind jedenfalls überliefert.

Nach München blieb ihm der ganz große Erfolg in einer Volkswahl verwehrt. 1974 Spitzenkandidat in Bayern, verlor er gegen Alfons Goppel. 1983 Kanzlerkandidat, unterlag er Helmut Kohl. (Nach heutigen Maßstäben mit einem sehr guten Ergebnis: 38,2 Prozent.) Schon vorher hatte Vogel, der sich viel darauf zugute hielt, der SPD zu dienen, in Berlin von Januar bis Juni 1981 als Regierender Dienst getan, dann aber die Wahl gegen Richard von Weizsäcker verloren. In Erinnerung ist, dass Vogel in der Zeit zuweilen auf einem Feldbett im Büro schlief. Später war er dann noch bis 1994 Bundestagsabgeordneter für Berlin.

Dennoch ist seine Karriere groß zu nennen. Er war ja auch Bundesparteichef der Sozialdemokraten, nach Brandt, von 1987 bis 1991. Und blieb ihr Gewissen – das kann man mit Fug und Recht sagen. Vogel (der sein zweites juristisches Examen mit „Sehr gut“ abschloss) erinnerte die Genossen nicht selten an die gute Ordnung. „Schulmeister“, das ist noch so ein Titel für ihn. Beileibe nicht nur Oskar Lafontaine, damals die größte Hoffnung der SPD, war öfters von der vermeintlichen Rechthaberei genervt. Das alles hat sich gelegt. Außerdem hatte Vogel, wie er in seinem neuen, letzten Buch selbst festhält, in den großen Fragen der Zeit immer recht. Oder bekam dies im Nachhinein, ob in der Berlinfrage, der Wiedervereinigung oder beim Atomausstieg.

Heute lebt Hans-Jochen Vogel mit seiner Frau Liselotte in einem Seniorenwohnstift in München. Selbst gewählt, seit 2006.

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