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Politik: A Dieu, Ben Wisch!

Eigentlich wollte er zur Erholung fahren, aber dann kamen Besuche, und mit denen ging er erst einmal zum Kölner Karneval. Er holte sich eine Infektion und ist nun tot.

Eigentlich wollte er zur Erholung fahren, aber dann kamen Besuche, und mit denen ging er erst einmal zum Kölner Karneval. Er holte sich eine Infektion und ist nun tot. „Ben Wisch“, Ostpreuße und Wahlkölner starb, wie er gelebt hatte: aus dem Vollen.

Über seine Geschichten könnte man Bücher schreiben. Die Schule in Allenstein und dann in Berlin. Der Krieg und wie Oberleutnant Wischnewski ihn für seine Soldaten – und Kriegsgefangenen – bei Kriegsende abwickelte. Seine Wanderung aus Österreich über Bayern, von Bauernhof zu Bauernhof, nach Norden. Meine Frau, die diesen „prächtigen Sozi“ ins Herz geschlossen hatte, fragte ihn einmal, warum er immer weitergezogen sei. Er antwortete: „Immer wenn die Bäuerin mit dem schwarzen Anzug ihres gefallenen oder vermissten Mannes gekommen ist, um zu sehen, ob er mir passt, bin ich abgehauen.“

Wischnewski landete in Köln als Sozialdemokrat und IGMetall-Sekretär, aber nicht als irgendeiner. Er arbeitete sich in die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Probleme seiner Stadt und unseres Landes ein. Er wurde Arbeitnehmervertreter bei Klöckner-Humboldt-Deutz. Er gab nüchternen Rat, schlichtete Konflikte, baute Brücken. Auch in der SPD war er ein prinzipientreuer Pragmatiker.

Im Rahmen der Hilfe von Jusos und Gewerkschaftsjugend für die algerische Befreiungsbewegung kam Wischnewski in engen Kontakt mit der arabischen Welt, von der französischen Regierung misstrauisch beäugt und von vielen Fallstricken umgeben. So landete einmal zu seinem Erstaunen und dem der Kölner Sparkasse eine siebenstellige Summe auf seinem bescheidenen Konto. Sein algerischen Freunde hatten sie dort aus Sicherheitsgründen „geparkt“. Er schaffte es aber, das Geld wieder an sie loszuwerden. Für seine arabischen und dann auch seine israelischen Freunde hat er sich sein Leben lang eingesetzt, als Abgeordneter, als Minister, vor allem aber als Vorsitzender der Nahost-Kommission der Sozialistischen Internationale unter Willy Brandt. Dort setzten sich Araber und Israelis zum ersten Mal an einen Tisch. „Nebenbei“ vermittelte Wischnewski im Fischereistreit der EG – „Ben Fish“ – wie im Bürgerkrieg in Nicaragua – „Comandante Hans“. Alle diese Erfahrungen machte er für Partei, Bundestag und Regierung nutzbar, zuletzt als Staatsminister und engster außenpolitischer Berater von Bundeskanzler Helmut Schmidt. Im Kanzleramt lieferte er – „mit Leidenschaft und Augenmaß“, so der Titel seiner Erinnerungen, – sein Meisterstück: Die Befreiung der zu Geiseln genommenen Passagiere und Besatzung der „Landshut“ in Mogadischu.

Als wir nach der Wahl Willy Brandts zum Bundeskanzler eng zusammenarbeiteten – er war Bundesgeschäftsführer der SPD, ich Kanzleramtschef – lernte ich schnell, sein politisches Kaliber richtig einzuschätzen. Östliche Vitalität und rheinischer Frohsinn – wir teilten beides – waren bei ihm eine Mischung eingegangen, die ihn nicht nur zu einem guten Kumpan bei kräftigem Essen und Trinken machte, sondern auch zu einem guten politischen Weggefährten in allen Lebenslagen. Er mochte die Menschen für die und mit denen er arbeitete. Er lebte aus dem Vollen, von seiner rheinischen Frau Gika fröhlich und getreulich umsorgt. Der Verlust seiner Frau leitete Ben Wischs letzten, von gesundheitlichen Problemen getrübten Lebensabschnitt ein. Aber er blieb – selbst als er den Rollstuhl brauchte – aktiv, er reiste nach Libyen und gab politischen Rat, wenn er darum gefragt wurde. Nach menschlichem Ermessen muss ihm der Himmel offen stehen.

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