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Politik: Ab 17 Uhr ist Frieden

Irische Terrororganisation IRA weist Mitglieder an, Waffen abzugeben / Nur noch „politische Methoden“

Die nordirische Untergrundorganisation Irisch-Republikanische Armee (IRA) hat am Donnerstag erklärt, ihre Kommando-Zellen seien angewiesen worden, den bewaffneten Kampf ab 17 Uhr einzustellen und ihre Waffen abzugeben. Die IRA-Mitglieder werden verpflichtet, sich künftig ausschließlich politischer Methoden zu bedienen, um ihr Ziel eines vereinigten Irlands zu erreichen. „Freiwillige (die Bezeichnung für IRA-Aktivisten; Red.) dürfen überhaupt nichts anderes tun“, als demokratische Anliegen mit friedlichen Mitteln zu vertreten. Dieser Passus kann als Verzicht auf Willkürjustiz und Kriminalität interpretiert werden.

Während der britische Premierminister Tony Blair die Erklärung als einen Schritt „von beispielloser Bedeutsamkeit“ würdigte, äußerten sich Politiker der protestantischen Gegenseite skeptisch. Blair sagte: „Das ist es, wonach wir in den acht Jahren seit dem nordirischen Friedensabkommen gestrebt und wofür wir gearbeitet haben.“ Nun seien die Rahmenbedingungen dafür gegeben, dass Nordirland seine Autonomie zurückerhalten könne. Gerry Adams, Präsident von Sinn Fein, dem politischen Arm der IRA, sprach von einem „mutigen Schritt“. Alle irischen Nationalisten und Republikaner müssten jetzt ihre Kraft darauf verwenden, „ein neues Irland zu bauen“. Es sei Zeit, den Krieg hinter sich zu lassen. Der irische Premierminister Bertie Ahern sagte, die Entwicklungen könnten „eine neue Ära herbeiführen“. Die USA begrüßten die IRA-Mitteilung. Es sei „eine wichtige und potenziell historische Erklärung“, hieß es in einer Stellungnahme des Weißen Hauses.

Die IRA verspricht, ihre Waffen-Vorräte „so rasch wie möglich“ unter der Aufsicht der Internationalen Entwaffnungskommission von General John de Chastelain aus dem Verkehr zu ziehen. Ein katholischer Priester und ein protestantischer Pfarrer sollen das bezeugen. Es wird damit gerechnet, dass dies in den nächsten Tagen vollzogen wird.

Die Erklärung der IRA nennt den angekündigten Rückzug vom bewaffneten Kampf „historisch“ und verpflichtet die Organisation auf die komplette Verwirklichung des Friedensabkommens vom Karfreitag 1998. Alle gesellschaftlichen Kräfte stünden in der Verantwortung, eine Wiederholung der „Pogrome“ von 1969 und der folgenden Jahre zu verhindern. Damit spielt die IRA auf die damalige Unfähigkeit der Polizei und der britischen Armee an, die gewaltsame Vertreibung von Katholiken aus ihren Wohnvierteln zu verhindern.

Einige politische Beobachter äußerten am Donnerstag die Bedenken, dass vermutlich keine „Army Conventio“ der IRA, eine Basisversammlung aller Mitglieder, stattgefunden habe, um die Demobilisierung zu sanktionieren. Erst die nächsten Wochen würden daher zeigen, ob es der IRA diesmal ernst ist. Der irische Justizminister, Michael McDowell, hatte in dieser Woche bereits verkündet, er sei informiert worden, dass drei prominente Mitglieder der Sinn Fein-Partei, nämlich Gerry Adams, Martin McGuinness und Martin Ferris, aus dem siebenköpfigen Armeerat der IRA ausgetreten seien.

Die jüngste IRA-Erklärung ist ein einseitiger Schritt. Er wurde aber mit der britischen und der irischen Regierung abgesprochen. Die britische Regierung hatte daher als Vorleistung schon am Mittwochabend den berüchtigten IRA-Bombenleger Sean Kelly aus der Haft entlassen. Allerdings war der einzige Koalitionspartner für eine Rückkehr Nordirlands zur Selbstverwaltung, Pfarrer Ian Paisleys „Democratic Unionist Party“, diesmal nicht an den Verhandlungen beteiligt. Paisley reagierte mit Kritik: „Für ihren Versuch, ihre Mörderkampagne zu glorifizieren und zu rechtfertigen, haben wir nur Verachtung übrig.“ Er werde die IRA nach ihren Taten, nicht nach ihren Worten beurteilen, sagte er. Die Untergrundarmee wird für den Tod von etwa 1800 Menschen seit Ende der 60er Jahre verantwortlich gemacht. (mit dpa)

Martin Alioth[Dublin]

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