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Politik: Ab jetzt wird scharf geschossen

Den dritten Tag in Folge liefern sich Sicherheitskräfte mit Oppositionellen in Thailand blutige Straßenschlachten

Der Machtkampf zwischen Oppositionellen und Regierung in Bangkok eskaliert mehr und mehr zu einem Bürgerkrieg. Die Armee erklärte das Areal um das von Regierungsgegnern besetzte Geschäftsviertel am Samstag zu einer Zone, in der „scharf geschossen wird“. Zivilisten und Journalisten dürfen das Viertel nicht mehr betreten. Die Sicherheitskräfte zogen Stacheldraht um das Gelände an der Ratchaprasong-Straße. Dahinter waren immer wieder Gewehrsalven zu hören. Von weitem war Rauch zu sehen, einzelne Barrikaden standen in Flammen. Bei den anhaltenden Unruhen kamen in den vergangenen drei Tagen mindestens 24 Menschen ums Leben, mehr als 170 wurden verletzt.

Unter dem Belagerungsring der Armee ging die Zahl der Roten in ihrer verbarrikadierten Zone weiter zurück. Die rote Führung klagte über Wasser- und Nahrungsmangel infolge der Taktik der Streitkräfte, die Nachschubwege zu kappen. Hinter den Barrikaden schieben die Roten Kinder, Frauen und Ältere als Schutzring vor. 70-80 Prozent der Menschen in der roten Enklave seien Kinder und ältere Menschen, berichtete der Fernsehsender TPBS.

Nattawut Saikuar, ein Führer der Rothemden, forderte die Regierung zu einer sofortigen Waffenruhe auf. Diese forderte ihrerseits, rund 500 „Terroristen“ hätten ihre Waffen niederzulegen und den Protest zu beenden. Der De-facto-Führer der Roten, der exilierte Altpremier Thaksin Shinawatra, sei ein „Heuchler“. Er habe eine Waffenruhe verlangt, während sich seine Milizen bewaffneten.

In der vergangenen Nacht versammelten sich in Teilen Bangkoks mehrere Tausend Radikale. Doch den Roten schließen sich die Massen nicht an. Wäre das der Fall, drohte Thailand ein Bürgerkrieg. Es scheint, dass die Bevölkerung mehrheitlich hinter dem harten Kurs von Premier Abhisit Vejjajiva steht. Man sehnt sich nach Ruhe. Derweil prangt über der Bühne der Roten in riesigen Lettern „Peaceful Protesters No Terrorists“. Doch was als Basisbewegung für mehr Rechte von Bauern und Arbeitern begann, ist inzwischen von einem militanten Flügel gekidnappt worden. So sollte Thailand nach einem Kompromissangebot von Premier Abhisit im November wählen. Die Roten willigten erst ein. Dann begann die Führung, um ihre persönliche Sicherheit zu feilschen. Abhisit sagte, er könne Terroristen keine Amnestie zusichern. Die Folge waren ständig eskalierende Konfrontationen zwischen Sicherheitskräften und Oppositionellen.

Durchaus im Sinne der Demonstranten? Der am Donnerstag von einem Scharfschützen niedergestreckte militante Führer der Roten, Generalmajor Khattiya Sawasdipol, hatte jedenfalls dem „Wall Street Journal“ zuvor gesagt, seine „letzte Mission“ sei, in den Straßen von Bangkok „totalen Bürgerkrieg“ zu entfachen. Er ziehe sich erst zurück, wenn sein Boss, Thaksin, den Befehl dazu gebe. Damit gab der abtrünnige General einen Hinweis darauf, worin das wahre Problem bestehen könnte, das Thailand derzeit in den Grundfesten erschüttert: Thaksin.

Dem großen Populisten, der sich zum Autokraten wandelte, ist es gelungen, seinen eigenen Kampf als Klassenkampf der Unterdrückten gegen eine ausbeuterische Aristokratie und Militärführung zu stilisieren. Dabei kämpft jetzt eine neue gegen eine alte Elite, neues Geld gegen altes. Die Armen dienen Thaksin als Fußsoldaten. Hinter Bambusbarrikaden bangen Bauern und Arbeiter aus dem Norden um ihr Leben. Die Roten versprachen ihnen einen besseren Preis für Reis und politische Lösungen gegen Armut und Schulden. Jetzt stehen sie an der Kriegsfront, während Thaksin an seiner Rückkehr nach Thailand arbeitet.

Er heuerte den kanadischen Staranwalt Robert Amsterdam an, der sich schon mit dem Kreml anlegte, als er den Oligarchen Michail Chodorkowski verteidigte. Sein Mandant wolle „zurück, es ist seine Heimat“, sagte Amsterdam.

Die laufende Militäroperation ist ein riskanter Hochseilakt für Premier Abhisit. Den Roten wird das Martyrium von Ratchaprasong noch Jahre für ihren Kampf gegen „ammart“ dienen, die Aristokratie. In einer Fernsehansprache sagte Abhisit gestern, er wolle nur eines: dem Land Frieden bringen. Wenn er jetzt nachgebe, würden Radikale in Zukunft wieder zu Waffen greifen, um eine Regierung zu stürzen. Es gebe nur eine Lösung: ein Ende der Proteste.

Die Regierungsgegner fordern Neuwahlen. Vermittlungsgespräche mit Ministerpräsident Abhisit Vejjajiva waren Mitte der Woche abgebrochen worden. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon rief die Konfliktparteien auf, zum Dialog zurückzukehren. Er beobachte die zunehmende Gewalt und die Spannungen mit „wachsender Sorge“, erklärte Ban in New York. Sowohl die Demonstranten als auch die Regierung in Bangkok müssten alles in ihrer Macht Stehende tun, um „weitere Gewalt und den Verlust von Menschenleben“ zu verhindern. mit mit dpa/AFP

Daniel Kestenholz[Bangkok]

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