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Im Namen Atatürks wird gegen die Aussöhnung mit der PKK demonstriert.

© AFP

Abdullah Öcalan: Der Staatsfeind Nummer eins verhandelt mit Ankara

PKK-Chef Öcalan bietet den Rückzug seiner Rebellen aus der Türkei an.

PKK-Chef Abdullah Öcalan will seine Rebellen offenbar aufrufen, ab Ende März die Waffen schweigen zu lassen. Anschließend ist ein Rückzug der PKK aus der Türkei geplant. Kurdische und türkische Politiker sprechen übereinstimmend vom Beginn einer neuen Ära, Öcalan selbst von einer „historischen Phase“. Beide Seiten scheinen entschlossen, den seit fast 30 Jahren andauernden Konflikt zu beenden – doch das gegenseitige Misstrauen ist groß.

Am vergangenen Wochenende hatten drei Kurdenpolitiker den inhaftierten PKK-Chef auf der Gefängnisinsel Imrali bei Istanbul besucht. Öcalan berichtete den Besuchern von drei Briefen, in denen er seine Vorstellungen von einer Friedenslösung darlegen werde: einer gehe an die PKK-Führung im Nordirak, einer an die PKK-Organisationen in Westeuropa und ein dritter an die legale türkische Kurdenpartei BDP. Die kommenden zwei bis drei Wochen seien entscheidend, sagte BDP-Chef Selahattin Demirtas, der am Dienstag den Eingang des Öcalan-Briefes bei seiner Partei bestätigte.

Nach Medienberichten schlägt Öcalan darin einen Drei-Stufen-Plan vor: Nach einem Waffenstillstand und einem Rückzug der PKK-Kämpfer aus der Türkei in Stützpunkte im Nordirak bis zum Frühsommer sollen in Ankara politische Reformen zur Besserstellung der Kurden in Angriff genommen werden; gleichzeitig soll sich eine Art Versöhnungsausschuss um ein besseres Verhältnis zwischen Kurden und Türken bemühen. Am Ende des Prozesses stehe eine Auflösung der PKK-Kampfverbände und eine Reintegration der meisten Rebellen in die türkische Gesellschaft.

Öcalan will die PKK dem Vernehmen nach anlässlich des kurdischen Neujahrsfestes Newroz am 21. März zu einer Waffenruhe aufrufen. Die türkische Regierung hat zugesagt, nach Nordirak abziehende PKK-Kämpfer nicht anzugreifen. Beide Seiten bereiten zudem vertrauensbildende Maßnahmen vor. Die PKK will laut Presseberichten innerhalb der nächsten Tage einige Gefangene freilassen. Die türkische Regierung will ein Reformpaket ins Parlament einbringen, mit dem unter anderem die Meinungsfreiheit gestärkt werden soll. Die neuen Gesetze sollen den Weg für die Haftentlassung mehrerer hundert kurdischer Untersuchungshäftlinge freimachen, denen Unterstützung für die PKK vorgeworfen wird.

Mehmet Yegin, PKK-Experte bei der Denkfabrik USAK in Ankara, hält die Friedensaussichten für realistisch. Er erwarte einen Waffenstillstandsappell Öcalans zu Newroz, sagte Yegin dem Tagesspiegel. Erstmals seien beide Seiten im Kurdenkonflikt zu einer Lösung entschlossen. Sabotageakte gegen den Friedensprozess in Form von Anschlägen seien zwar möglich, doch stehe derzeit auch die PKK-Führung im Nordirak grundsätzlich zu Öcalans Vorschlägen, so dass einzelne Gewalttaten den Prozess nicht aus der Bahn werfen könnten.

Doch das Misstrauen ist unübersehbar. Kurdische Medien berichteten am Dienstag von neuen türkischen Luftangriffen auf PKK-Stellungen im Nordirak. BDP-Chef Demirtas betonte, seine Partei unterstütze den Friedensprozess, nicht aber die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan. Diese habe bisher keine konkreten Zugeständnisse des Staates in Aussicht gestellt.

Nicht nur die Kurden, auch die türkischen Nationalisten kritisieren Erdogan: Sie werfen dem Premier vor, die Einheit des Landes zu opfern, um sich in zwei Jahren das Präsidentenamt zu sichern. Erdogan bekräftigte am Dienstag, seine Regierung leuchte alle Möglichkeiten einer Beilegung des Kurdenkonfliktes aus, auch wenn das politisch riskant sein sollte: „Wir sind bereit, den Schierlingsbecher zu leeren“, sagte er.

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