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Allgegenwärtig. Bei der Großkundgebung in Moskau am Samstag trug ein Demonstrant eine Putin-Maske. Der russische Premier lässt Kritik am Ablauf der Duma-Wahl zurückweisen. Foto: Reuters

© REUTERS

Politik: Abfuhr von Putin

Präsident Medwedew lässt Betrugsvorwürfe prüfen Sprecher des Premiers: Klagen ändern nichts.

Eindringlich warnte Waleri Sorkin, der Präsident des russischen Verfassungsgerichts, Opposition und Regierung vor einem Bürgerkrieg und zog dabei Parallelen zum Herbst 1993. Damals hatte Präsident Boris Jelzin seinen Konflikt mit dem Parlament durch den Einsatz von Panzern und schwerer Artillerie beendet. Sorkin weiß, wovon er redet: Auch damals oberster Verfassungshüter, hatten er und der Patriarch der Russisch-Orthodoxen Kirche versucht, zwischen den Konfliktparteien zu vermitteln – erfolglos. Heute, schreibt Sorkin in seinem Artikel für die regierungsnahe „Rossijskaja Gaseta“, kochten die Leidenschaften ähnlich hoch. Opposition wie Regierungslager ermahnte er daher zu Gesetzestreue, ohne die Demokratie nicht möglich sei. Vor einem Bürgerkrieg warnte auch die Russisch-Orthodoxe Kirche. Gott werde jenen nicht vergeben, die ihren Nächsten Leiden zufügen, sagte Wsewolod Tschaplin, Sprecher des Moskauer Patriarchats.

Die außerparlamentarische Opposition hat für den 24. Dezember neue Massenproteste angekündigt, sollten Kreml und Regierung auf ihre Forderung nach Neuwahlen und innenpolitischen Lockerungen nicht eingehen. Danach sieht es bisher nicht aus.

Generalstaatsanwalt Juri Tschaika sieht keinen Grund, die Ergebnisse der Parlamentswahlen für ungültig zu erklären. Dabei hat sogar der Beirat für Menschenrechte und Zivilgesellschaft beim Präsidenten 35 Beschwerden wegen Unregelmäßigkeiten eingereicht. Mit deren Untersuchung begann am Montag die Ermittlungsbehörde bei der Generalstaatsanwaltschaft – auf Anweisung von Dmitri Medwedew. Mehrere Beobachter werten dies bereits als neue Runde im Machtkampf zwischen Präsident und Premier. Die Klagen über Wahlbetrug stellten „in keiner Weise“ die Rechtmäßigkeit der Wahl oder das Gesamtergebnis infrage, erklärte der Sprecher von Regierungschef Putin, Dmitri Peskow, am Montag. Selbst wenn alle „angeblichen“ Behauptungen über Manipulationen zusammengerechnet und vor Gericht bewiesen würden, seien insgesamt nur rund 0,5 Prozent der abgegebenen Stimmen betroffen.

„Einiges Russland“ mobilisiert derweil landesweit die Jugendorganisationen der Partei. Am Montag wurden Hunderte mit Bussen nach Moskau gekarrt, um dort auf dem Manege-Platz die Wahlergebnisse zu verteidigen und das Tandem Putin- Medwedew zu unterstützen. Zudem wurde bekannt, dass Ex-Finanzminister Alexei Kudrin eine neue neoliberale Partei gründen will. Von Medwedew wegen Kritik an dessen Wirtschaftspolitik im Herbst gefeuert, gilt der mit Putin befreundete Kudrin nach wie vor als loyal und einflussreich.

Der russische Oligarch Michail Prochorow kündigte am Montag an, dass er bei der Präsidentenwahl im März gegen Putin antreten will. Er hatte im Frühjahr die liberal-konservative Partei Gerechte Sache gegründet, war aber Mitte September entmachtet worden. Dafür machte er den Kreml verantwortlich.

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