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Politik: Abgang mit Weile

Stoiber hält auch seine Bayern hin. Die Nachfolgefrage soll erst Mitte November geklärt werden

Edmund Stoibers Sorge ist immer, dass er einmal nackt dastehen könne. Metaphorisch gesehen.  Dass er einmal nicht weiter weiß. Dass sein allweil hinterher scharwenzelnder Referent Martin Neumeyer einmal nicht da ist mit den Zettelchen, auf denen zum Beispiel steht: „Dazu besser nichts sagen“. Oder „Themenwechsel“, „nicht vertiefen“. Da sind seine potenziellen Nachfolger, die sich am Mittwoch mit Stoiber und dem CSU- Fraktionschef Joachim Herrmann länger als erwartet zusammengehockt haben, um das Procedere der „Ministerpräsidentenfindung“ zu klären, von anderem Kaliber. Sie sind nämlich immer gut munitioniert und um Antworten selten verlegen. Jedenfalls bräuchten sie keine Neumeyers, und als Staatskanzleichef Erwin Huber – einer der beiden Prätendenten – am Morgen gefragt wird, was er sich von dem Treffen in der Staatskanzlei verspreche, sagt er cool, er sei ganz ruhig, aufgeregt seien doch nur die Journalisten.

Dass aber mit der Ministerpräsidentennachfolgefrage erheblich mehr Aufregung herrscht, als dem derzeitigen Amtsinhaber recht sein kann, ist ebenfalls nicht von der Hand zu weisen. Stoiber hätte, gingen die Dinge noch allein nach ihm, eine Entscheidung über seine Nachfolge gerne hinausgeschoben. Anvisiert wurde zunächst ein Datum rund um den 14. November, an dem die CSU einen kleinen Parteitag abhalten wird. Andererseits hat Innenminister Günther Beckstein, der andere Nachfolger in spe, nicht ganz Unrecht, wenn er sagt, dass es gar nicht schlecht wäre, „wenn auch in Bayern wieder ein paar Entscheidungen fallen“ könnten. Dass er sie dann von ganz oben beeinflussen möchte, daran lässt Beckstein keinen Zweifel. Notfalls, meint er, käme es halt zu einer Kampfabstimmung in der Fraktion. Laut „Bild“ will Beckstein bei einer Niederlage sein gerade gewonnenes Bundestagsmandat wahrnehmen und sein Ministeramt in München aufgeben.

Dass dabei der protestantische Franke Beckstein (drei Kinder) über den katholischen Niederbayern Huber (zwei Kinder) obsiegt,  galt in München bis vor kurzem als ausgemacht. Beckstein hat in der Partei den allergrößten Rückhalt, sein jüngstes Parteitagsergebnis war – kleiner, netter Fehler der Regie – sogar besser als das von Edmund Stoiber. Kein Wunder aber auch, denn Beckstein haftet trotz seiner nicht ungern demonstrierten Sheriff-Qualitäten als Innenminister tatsächlich noch ein wenig von jener Leutseligkeit an, die die Bayern, glaubt man Umfragen, gern haben. In diesem Punkt hatte Stoiber nie viel zu bieten.

Nun ist auch Erwin Huber nicht gerade ein Eisbrecher, verfügt aber immerhin über den niederbayerischen raubeinigen Charme. Der an ihm haftende Makel ist offensichtlich: Zwar hat Beckstein Stoiber geholfen, ins Amt zu kommen, weil er frühzeitig die Franken vor dessen Karren spannen konnte – Huber hingegen hat von der Staatskanzlei aus Stoibers Peitsche geschwungen, manchmal ziemlich heftig. In Zukunft wolle er nicht mehr unbedingt „mit dem Kopf durch die Wand“, hat Huber, sichtlich um Ausgleich bemüht, zuletzt der Fraktion geflüstert, wo sich jetzt auch wieder eine neue Koalition gebildet hat, die Huber durchaus favorisiert: Gegen die Franken und Oberpfälzer müssen die Altbayern schließlich zusammenhalten. Der Fraktion  kann es im Moment jedenfalls gar nicht schnell genug gehen mit Stoibers Abgang. Sie tagt lang und zankt heftig am Mittwoch; Beckstein und Huber erklären sich. Am Ende jedoch setzt  sich Stoiber fürs Erste durch. Abgestimmt werden soll definitiv erst nach dem Parteitag.

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