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Im Dunkeln gelassen? Verkehrsminister Ramsauer soll das Bahnchaos beschönigt haben.

© dapd

Update

Ramsauer unter Druck: Bahnchaos offenbar noch größer als bisher bekannt

Verkehrsminister Ramsauer musste im Verkehrsausschuss Rede und Antwort zum Bahnchaos stehen. Und dann wurde bekannt, dass er offenbar geschönte Zahlen genannt hat.

Das Winterchaos bei der Deutschen Bahn war offenbar weit größer als bisher bekannt. An manchen Tagen fuhr nach einer internen Bahn-Statistik, die der "Hannoverschen Allgemeinen" vorliegt, nur noch jeder fünfte Fernzug laut Fahrplan. Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) und das Bahnmanagement geraten durch das Dokument weiter unter Druck. Denn die so genannte „Information zur Betriebslage“ der Bahn beweist, dass der Konzern und der Minister das Desaster beschönigt haben.

Am Mittwoch hatte Ramsauer dem Verkehrsausschuss des Bundestags einen Bericht zum Winterchaos vorgelegt. Der Verkehrsausschuss behandelte das Winterchaos der vergangenen Monate – auf der Schiene, auf der Straße oder in der Luft. Die Abgeordneten tagten hinter verschlossenen Türen, doch dort hieß es: Im Dezember musste die Deutsche Bahn zeitweise auf mehr als jeden zehnten Zug im Fernverkehr verzichten. Vier Prozent der so genannten gefahrenen Zugkilometer fielen aus – normalerweise ist es nur ein Prozent. Im Fernverkehr kamen an manchen Tagen weniger als 70 Prozent aller Züge pünktlich an, im Güterverkehr 49,1 Prozent. Zahlen, die jetzt stark relativiert werden.

Auch im Nahverkehr fuhren Züge mal später, mal gar nicht, mal völlig überfüllt. Genaue Zahlen nannte die Bahn im Ausschuss nicht. Als besonders betroffen nannte sie Bayern sowie Nord- und Ostdeutschland.

Da wunderte es nicht, dass sich die Abgeordneten egal welcher Parteifarbe bei einigen Punkten einig waren: zu lange sei die Bahn auf Verschleiß gefahren, in Zukunft müsse mehr in Netz und Material investiert werden, und die Bahn müsse ihre Kunden besser informieren. Ramsauer kündigte an, es solle mehr in neue Züge investiert werden. Der Ausschussvorsitzende Winfried Hermann (Grüne) nannte dies einen „neuen Konsens“. Er sei „selbst überrascht, dass Union und FDP unsere seit Jahren vorgetragenen Forderungen nun teilen“. So betonte der verkehrspolitische Sprecher der FDP- Fraktion, Patrick Döring: „Wenn die Bahn, wie im letzten Jahr, mit der Infrastruktur hunderte Millionen Euro Gewinn macht, dann muss dieses Geld auch in die Schiene reinvestiert werden.“

Dennoch sind Regierung und Opposition in wichtigen Fragen unterschiedlicher Ansicht über den Umgang mit diesem Problem. „Bitten an den BahnVorstand nützen da gar nichts“, sagte der verkehrspolitische Sprecher der Grünen, Toni Hofreiter, und forderte, das Schienengeschäft und die Transportsparte in voneinander unabhängige Unternehmen zu trennen. Auch die FDP hält die Trennung für sinnvoll. Dagegen wehrt sich die Bahn seit Jahren. Und Vertreter aus dem Verkehrsministerium sagen, auch Ramsauer sei nicht gewillt, einer kompletten Abtrennung zuzustimmen. Die Regierungskoalition plant vielmehr einen „Finanzierungskreislauf Schiene“: Was die Bahn mit ihrem Netz erwirtschaftet, soll sie wieder in das Netz investieren. „Da werden nur neue Kassen aufgemacht“, kritisiert Uwe Beckmeyer, verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion.

Ein weiterer Streitpunkt ist die sogenannte Gewinnabführung. 500 Millionen Euro muss die Bahn 2011 in den Bundeshaushalt einzahlen. SPD, Grüne und Linke wollen, dass der Staat auf dieses Geld verzichtet. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagt am Mittwoch: „Am Haushalt 2011 ändern wir nichts mehr. Und die Bahn kann ihre Probleme auch nicht in einem Jahr überwinden.“ Eine bessere Lage der Bahn werde aber in den nächsten Jahren „ein Schwerpunkt“ sein. Dem „Stern“ sagte Merkel, ein Börsengang der Bahn sei vorerst vom Tisch: Er bleibe ein Ziel, „aber die Bürger hätten für dieses Ziel kein Verständnis, solange die Bahn die Bürger nicht davon überzeugt, dass und wie sie die Schwierigkeiten schnell bewältigt.“

Mehr Einigkeit herrscht wiederum über die weltweiten Geschäfte der Bahn. „Wir legen Wert darauf, dass die Konzentration auf der Qualität des Schienenverkehrs in Deutschland liegt“, sagte Döring – und erntete Zustimmung sogar von der Linken. Auch Ramsauer sagte im ARD- „Morgenmagazin“, die Bahn müsse vor einer weiteren Expansion im Ausland ihre Probleme im Inland in den Griff bekommen. Er betonte angesichts des harten Winters aber auch: „Es kann keinen Vollkaskoanspruch gegen Unwetter geben.“

Was auch immer sich langfristig bei der Bahn tut: Der Winter ist noch nicht vorbei und damit ist auch noch kein Ende der Probleme absehbar. Winfried Hermann riet der Bahn, jetzt noch zu handeln. Sie solle in ganz Europa Material kaufen oder leasen, alle fahrtüchtigen Wagen reaktivieren und zusätzliches Personal einsetzen. Die Vorbereitung auf den Winter sei absolut unzureichend gewesen. Fraktionskollege Hofreiter kritisierte, dass es oft an eigentlich Trivialem mangele. Beispielsweise gebe es in manchen Werkstätten zu wenige Heißluftgebläse, sodass die Mitarbeiter vereisten Zügen beim langsamen Abtauen zusehen müssten. Auch müsse die Bahn im kommenden Frühjahr Bäume und Sträucher besser zurückschneiden. Dass ein Baum auf die Schienen fällt, dürfe eigentlich nicht passieren.

Außer der Bahn diskutierten die Abgeordneten auch den Zustand der deutschen Straßen. Bei der Verkehrsministerkonferenz im April will Ramsauer mit seinen zuständigen Kollegen aus den Bundesländern darüber verhandeln, welchen Kriterien der Winterdienst genügen muss. Er stellte aber klar: An der Diskussion über eine sogenannte Schlagloch-Steuer will er sich nicht beteiligen.

Über die Probleme der Berliner S-Bahn spricht der Verkehrsausschuss erst in der kommenden Woche. Am Mittwoch spielte sie im Verkehrsausschuss nur am Rande eine Rolle: als herausragendes Beispiel dafür, wie man es nicht machen sollte. (mit dpa)

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