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Unter Druck Entscheidungen treffen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière.

© AFP

Abgesagtes Länderspiel: Warum Thomas de Maizière so merkwürdig unschlüssig wirkte

Bundesinnenminister Thomas de Maizière wirkte bei seinen Auftritten merkwürdig unschlüssig. Was war mit ihm los, als er das Länderspiel absagte?

Von Antje Sirleschtov

Am Tag danach hat Angela Merkel ihrem Innenminister den Rücken gestärkt. „Traurig“ sagte die Kanzlerin am Mittwoch nach der Kabinettssitzung, traurig sei es zwar gewesen, dass Thomas de Maizière das Fußball-Länderspiel in Hannover hätte absagen müssen. Aber „verantwortlich“ sei die Entscheidung eben auch. Wegen der angespannten Sicherheitslage. Und weil in unsicheren Zeiten eben gelte: „Im Zweifel für die Sicherheit“.

Man darf annehmen, dass Merkel diese sehr knappen Sätze nicht hätte sagen müssen, gäbe es keine Zweifel daran, wie der Bundesinnenminister am Dienstag entschieden hatte und vor allem: wie er seine Entscheidung später in einer Pressekonferenz begründete. Nämlich etwas diffus mit „Hinweisen“ und Hintergründen, die er nicht erläutern mochte, weil „ein Teil dieser Antworten die Bevölkerung verunsichern würde“. Wenige Minuten, nachdem er am Dienstag diese Sätze gesagt hatte, fand sich de Maizière inmitten einer Wolke der Kritik wieder.

Ihm wurde unterstellt, er habe das wegen der Pariser Terroranschläge als europäische Solidaritätskundgebung verstandene Fußballspiel zwischen der deutschen und der holländischen Nationalmannschaft abgesagt, ohne dass es wirklich nötig gewesen wäre. Und ihm wurde vorgeworfen, er habe durch seine missverständliche Weigerung, sich konkret zu den Hintergründen zu äußern, selbst für Verunsicherung gesorgt.

Rasch lautete der Verdacht: Überforderung

Ein Innenminister, der in Zeiten höchster Unsicherheit mit unbedachten Worten Angst schürt? Rasch lautete der Verdacht: Überforderung. Im Internet breitete sich Häme aus.

Wer am Dienstagabend die Einlassungen des Ministers im Fernsehen verfolgt hatte, dem musste klar werden, dass sich Thomas de Maizière die Absage des symbolträchtigen Fußballspiels weder leicht gemacht hatte, noch, dass der Mann ein kalter Hund ist. Der Innenminister wirkte zwar ruhig, aber eben auch angefasst. Schon den ganzen Tag über war er mit zwei „Lagen“, wie solch brenzlige Situationen im Fachjargon genannt werden, befasst. Zum einen glaubten Fahnder in der Nähe von Aachen die Drahtzieher des Terrors von Paris gefunden zu haben. Und zum anderen hatten mehrere ausländische Geheimdienste davor gewarnt, dass in Deutschland ein den Pariser Anschlägen ähnlicher Terror rund um ein Sport-Großereignis geplant sei. Der Minister sagte sämtliche Termine ab und beriet mit den Sicherheitsbehörden über den Ernst der Lage und die notwendigen Entscheidungen.

Bereits am späten Nachmittag, de Maizière hatte kurzfristig vor seinem Abflug mit Merkel zum Länderspiel nach Hannover in seinem Ministerium in Berlin zu einer Pressekonferenz geladen, wirkte er merkwürdig unschlüssig. Von „wirklich hoher“ Gefährdung sprach er, von „Nachahmungstätern“ und „Hinweisen“ und davon, dass „Gefährder verunsichert“ werden sollten. Als er dann auch noch preisgab, dass die Aachener Ermittlungen „nicht im engsten Zusammenhang“ mit Paris stünden, fragten sich Zuschauer und Journalisten, warum der Bundesinnenminister überhaupt an die Öffentlichkeit getreten war.

Keine Gewissheit

Erst später am Abend sickerte durch, dass die Sicherheitsbehörden seit Stunden den Hinweisen Hannover betreffend nachgegangen waren, dem Minister jedoch keine so stichhaltigen Ergebnisse liefern konnten, dass er bereits in Berlin das Fußballspiel hätte absagen wollen. Dafür schien die Bedrohung de Maizière wohl noch zu vage. Erst am frühen Abend verdichteten sich weitere Hinweise, von einem Fahrzeug mit Sprengstoff war die Rede, von mehreren Anschlagsorten.

Auch, als de Maizière mit der Kanzlerin im Flugzeug in Richtung Hannover unterwegs waren, wurden aus Verdachtsmomenten keine Gewissheiten. Allerdings konnten offenbar die Hinweise auch nicht in dem Maße entkräftet werden, dass der Minister das Spiel ohne große Sorge hätte anpfeifen lassen können. De Maizière entschied abzusagen, „zum Schutz des Lebens vieler tausend Menschen“. Und noch dazu versuchte er, sich den Fragen der Journalisten in Hannover zu Hintergründen zu entziehen, um Panik zu vermeiden. Denn die hätte es zweifellos gegeben, wenn klar geworden wäre, dass es womöglich nicht nur um einen Angriff auf das Stadion gegangen ist. Wie man in einer derart undurchsichtigen Situation richtig entscheidet und dann auch noch korrekt im Fernsehen auftritt, das sei meist allen klar, hieß es am Mittwoch im Umfeld des Ministers. Aber eben immer erst am Tag danach.

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