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Bulgarien: Abhörangriff gegen den Anti-Schmuggler

Für das vergangene Jahr wurde der bulgarischen Regierung allgemein eine hohe Skandalfrequenz bescheinigt. Das neue beginnt kaum besser. In Bulgarien grassiert die Korruption – jetzt gerät ausgerechnet der unbeugsame Zollchef ins Visier.

„Warum auch nicht“, hat Bulgariens Ministerpräsident Boiko Borissov auf die Frage geantwortet, was er davon halte, dass der Direktor der Nationalen Zollagentur Vanjo Tanov ein halbes Jahr lang abgehört worden sei. „Um Korruption in den höheren Etagen der Macht zu bekämpfen, müssen die Staatsbediensteten stets im Stress sein und wissen, dass sie überwacht werden“, meinte er. Nun hat es aber mit Vanjo Tanov nicht nur einen Parteifreund Borissovs getroffen, sondern einen, der es mit dem Kampf gegen die Korruption ernst zu meinen scheint. In seiner Zollbehörde sind nach seinem Amtsantritt 700 Bedienstete freiwillig gegangen, weitere 100 hat er im Lauf des Jahres 2010 wegen eines Korruptionsverdachts gefeuert.

Für das vergangene Jahr wurde der bulgarischen Regierung allgemein eine hohe Skandalfrequenz bescheinigt. Das neue beginnt kaum besser. Das Boulevardblatt Galeria veröffentlichte in dieser Woche Stenogramme von drei Telefongesprächen von Vanjo Tanov vom Mai 2010. Zwei davon führte er mit seinem direkten Vorgesetzten, Finanzminister Simeon Djankov, und eines mit dessen Stellvertreter Vladislav Goranov. Die inzwischen auch im Internet veröffentlichten Gespräche offenbaren Konflikte zwischen der dem Finanzministerium unterstehenden Zollbehörde und Innenminister Tsvetan Tsvetanov über die richtige Strategie im Kampf gegen den Warenschmuggel.

„Es interessiert mich nicht, wer was über wen in privaten Gesprächen sagt“, sagte Ministerpräsident Boiko Borissov. Doch die Gespräche offenbaren Abgründe im Umgang der Minister untereinander. „Der Premier ist klug, im Gegensatz zu ihm (dem Innenminister)“, sagte Finanzminister Djankov. „Djankov und Tsvetanov haben sich gegenseitig an der Gurgel“, berichtete Vladislav Goranov dem Chef der Zollbehörde.

Von größerem Gewicht als die persönlichen Animositäten sind indes Tanovs Vorwürfe an Innenminister Tsvetanov. Dieser versuche, Amtshandlungen der Zollbehörde gegen bestimmte Firmen zu unterbinden. „Das ganze Problem besteht wegen zwei, drei Firmen, die ich unter Druck setze“, klagte Tanov seinem Chef, Finanzminister Djankov. Tsvetanov soll einen Mitarbeiter, der eine Anzeige gegen das Mineralölunternehmen Lukoil unterschrieben hatte, zurückgepfiffen haben: „Er hat ihm gedroht und gesagt, dass das nicht geht.“ Außer Lukoil, dessen Chef als eng befreundet mit Ministerpräsident Borissov gilt, finden das staatliche Tabakunternehmen Bulgartabak und die Supermarktkette Billa Erwähnung in den Gesprächen.

Vanjo Tanov hat die Authentizität der Aufnahmen bestätigt. „Möglich, dass die Ermittlungsdienste die Aufnahmen gemacht haben, möglich auch, dass es interessierte Personen waren, die durch die Arbeit der Zollkräfte behelligt waren, es kann aber auch politische Gründe geben“, sagte Tanov dem Fernsehsender Nova TV. „Tanov wird Chef der Zöllner bleiben. Ich arbeite hervorragend mit ihm“, sagte Finanzminister Djankov. 252 Millionen Zigaretten hätten die Zöllner 2010 sichergestellt, das seien „30-mal so viel wie in den vorhergehenden vier Jahren zusammen“.

Premier Borissov sieht das Ganze offenbar gelassen. „Ich sehe nichts Schlimmes darin, Minister, Vizeministerpräsidenten und Agenturchefs abzuhören. Der Premier, der zu allen seinen Ministern Vertrauen hat, ist immer hintergangen worden“, sagte er bTV. Dagegen kritisierte Staatspräsident Georgi Parvanov den übermäßigen Einsatz des Abhörens, der Bulgarien „zu nichts Gutem“ führe. „Ich fürchte, solche Vorkommnisse bringen uns nicht näher zu Schengen, sondern entfernen uns davon.“ 2011 sollen Bulgarien und Rumänien dem Schengenabkommen beitreten. Dann dürften Bulgaren ebenso wie andere EU-Bürger ohne Zollkontrollen in die meisten anderen Länder der Gemeinschaft reisen.

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