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Politik: Abhörskandal erschüttert Portugiesen

Madrid - Am kommenden Sonntag wird ein neuer Präsident in Portugal gewählt. Doch kurz vor der Abstimmung schreckt eine Affäre das Volk und die Kandidaten gleichermaßen auf: Die Justiz soll im Zuge der Ermittlungen im größten Kinderschänderskandal der portugiesischen Geschichte die Telefonanschlüsse von mehr als 200 Politikern und Spitzenbeamten kontrolliert haben.

Madrid - Am kommenden Sonntag wird ein neuer Präsident in Portugal gewählt. Doch kurz vor der Abstimmung schreckt eine Affäre das Volk und die Kandidaten gleichermaßen auf: Die Justiz soll im Zuge der Ermittlungen im größten Kinderschänderskandal der portugiesischen Geschichte die Telefonanschlüsse von mehr als 200 Politikern und Spitzenbeamten kontrolliert haben.

Darunter war auch der Apparat des seit zehn Jahren amtierenden Staatschefs Jorge Sampaio (66), der der Sozialistenregierung von Jose Socrates nahe steht und nach zwei Legislaturperioden nicht mehr antreten kann. Abgehört wurde auch das Telefon des früheren sozialistischen Ministerpräsidenten Antonio Guterres, genauso wie die Nummern von hohen Richtern und sogar des portugiesischen Generalstaatsanwaltes.

Die von portugiesischen Medien verbreitete Nachricht zur Abhöraktion wird von den Sicherheitsbehörden dementiert – allerdings nicht sehr überzeugend. So ließ die Behauptung im Sexskandal doch wieder die feine Gesellschaft und auch die ganze Nation erzittern. Schließlich wird seit über drei Jahren, als die ersten Einzelheiten der Kindersex-Affäre ans Licht kamen, öffentlich spekuliert, dass höchste Stellen des Staates den jahrzehntelangen Missbrauch von Waisenkindern durch Prominente zumindest gedeckt haben müssen.

Seit einem Jahr sitzt wegen dieser ungeheuerlichen Kriminalgeschichte der frühere portugiesische Diplomat Jorge Ritto in Lissabon auf der Anklagebank – zusammen mit sechs weiteren Beschuldigten, darunter auch Portugals bekanntester Fernsehmoderator Carlos Cruz.

Dieser Skandal, die anhaltende Wirtschaftsflaute, das ausufernde Haushaltsdefizit und politische Instabilität – vier Regierungswechsel in den letzten fünf Jahren – nähren einen wachsenden Pessimismus im Volk. So ist auch das Interesse an der Präsidentenwahl am kommenden Sonntag vergleichsweise gering. Zumal der Favorit bereits ausgemacht scheint: Der 66-jährige Konservative Anibal Cavaco Silva, von 1985 bis 1995 Regierungschef, hat den Umfragen zufolge mit annähernd 50 Prozent seine beiden sozialistischen Konkurrenten, den Poeten Manuel Alegre (69) sowie Portugals greisen Ex-Präsidenten Mario Soares (81), weit abgehängt.

Ralph Schulze

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