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Afghanische Flüchtlinge kampieren in der türkischen Hafenstadt Cesme.

© REUTERS

Abkommen zwischen EU und Ankara: Amnesty: Türkei schiebt afghanische Flüchtlinge ab

Das Abkommen zwischen der EU und der Türkei zieht auch die Kritik von Amnesty International auf sich. Ankara schiebe afghanische Flüchtlinge ab, lautet der Vorwurf.

Ein Abkommen mit Folgen: Nichtregierungsorganisationen verlassen Griechenland aus Protest, das UN-Flüchtlingswerk UNHCR beendet seine Mitarbeit mit den dortigen Behörden und selbst die EU-Grenzschutzagentur Frontex mäkelt an der schlechten Umsetzung der Beschlüsse des letzten EU-Gipfels. Damals war vereinbart worden, dass die meisten der in Griechenland ankommenden Flüchtlinge wieder in die Türkei abgeschoben werden sollen. In der Praxis bleibt das Abkommen zwischen den EU-Staaten und der Türkei, das als „Lösung“ der Flüchtlingskrise angepriesen wurde, bislang hinter den Erwartungen zurück. Vor einer Woche hatten die 28 EU-Staaten mit der Türkei das umstrittene Vertragswerk unterzeichnet, das unter anderem die Einstufung der Türkei als sicheren Drittstaat vorsieht. Menschenrechtler und Politiker kritisierten den Deal scharf.

Nun erhebt Amnesty International (AI) schwere Vorwürfe gegen die türkische Regierung. Ankara soll kurz nach Inkrafttreten der Gipfelbeschlüsse 30 afghanische Flüchtlinge illegal in ihr Heimatland abgeschoben haben, lautet der Vorwurf.

Nach Angaben der Organisation haben türkischen Behörden nur wenige Stunden nach Inkrafttreten des EU-Türkei-Deals eine Gruppe von 30 afghanischen Asylsuchenden in den Staat am Hindukusch abgeschoben. Ein Mitarbeiter von AI habe am 18. März, kurz nachdem die europäischen Staats- und Regierungschefs mit der Türkei ihre Unterschrift unter das Abkommen setzten, einen Anruf eines afghanischen Geflüchteten erhalten. Der Mann habe der Organisation mitgeteilt, dass türkische Sicherheitskräfte ihn und circa 30 weitere Männer, Frauen und Kinder nach Afghanistan ausfliegen lassen wollen. Die Gruppe hatte zuvor versucht, über die Ägäis auf die griechischen Inseln zu gelangen, wurde jedoch von der türkischen Küstenwache aufgegriffen und zunächst in ein von EU-Mitteln finanziertes Abschiebelager in der Osttürkei gebracht. Ihre Anträge, am türkischen Asylverfahren teilnehmen zu dürfen, seien zuvor von den türkischen Behörden abgelehnt worden.

Ankara: Afghanen sind freiwillig ausgereist

Die Behörden in Ankara bestätigten die Abschiebung von 27 afghanischen Staatsbürgern, verwiesen aber darauf, dass alle 27 freiwillig ausgereist seien und keinen Asylantrag in der Türkei stellen wollten. AI berichtete schon häufiger von Rechtsverletzungen türkischer Behörden im Zusammenhang mit Asylbewerbern: Menschen würden gezwungen, ihre Fingerabdrücke abzugeben oder Dokumente zu unterschreiben, die ihre freiwillige Ausreise belegen, so die Organisation.

Amnesty International teilte auf seiner Website mit, dass die Menschenrechtsorganisation die Angaben seiner Kontaktperson für glaubwürdig hält. Die Organisation verfüge über Fotos von der Bordkarte und den Reisedokumenten des Afghanen. Dort sei unter anderem der offizielle Grund für die Asyl-Ablehnung vermerkt: „unerlaubte Einreise “.

Die Abschiebung von Flüchtlingen ohne vorherige Einzelprüfung des Asylanspruchs stellt einen schweren Rechtsbruch des internationalen und europäischen Flüchtlingsschutzes dar. Ob die EU die Vorwürfe überprüfen und im Falle einer Bestätigung entsprechend darauf reagieren wird, ist jedoch fraglich. Denn auch die EU erwägt seit kurzem, Massenabschiebungen nach Afghanistan wieder zuzulassen. Einem EU-internen Dokument zufolge, das von Statewatch.org Anfang März geleakt wurde, plant die EU, 80.000 afghanische Flüchtlinge an den Hindukusch abzuschieben. Um Druck auf die als „schwierig“ geltende Kabuler Regierung von Aschraf Ghani, die bisher eine Rücknahme von Flüchtlingen verweigert, auszuüben, überlegt die EU-Kommission, mit der Kürzung von Entwicklungshilfe zu drohen, so das Dokument.

Erschienen bei EurActiv.
Das europapolitische Online-Magazin EurActiv und der Tagesspiegel kooperieren miteinander.

Daniel Mützel

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