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Abrüstung: Relikte aus dem Kalten Krieg

Die Abrüstungsinitiative von US-Präsident Barack Obama ist in Deutschland auf breite Unterstützung gestoßen. Steinmeier will mit USA über Atomwaffen in Deutschland reden – andere mahnen zur Vorsicht.

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Berlin - Die Abrüstungsinitiative von US-Präsident Barack Obama ist in Deutschland auf breite Unterstützung gestoßen. Die Bundesregierung wolle den Präsidenten „nach Kräften unterstützen“, sagte Vize-Regierungssprecher Thomas Steg. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) kündigte Gespräche über einen Abzug der in Deutschland stationierten US-Atomwaffen an. „Darüber werden wir in der Tat mit den Amerikanern in den nächsten Wochen sprechen“, sagte der Vizekanzler am Montag. Zugleich warnte er vor zu großen Erwartungen. Die Verhandlungen über einen neuen Abrüstungsvertrag mit Russland hätten seiner Beobachtung nach Priorität für die Amerikaner. Er gehe davon aus, dass es gegenübe den deutschen Wünschen „Offenheit auf der amerikanischen Seite“ gebe.

In der Opposition war zuvor die Forderung laut geworden, jetzt von Washington den Abzug der verbliebenen Atomwaffen aus Deutschland zu verlangen. Koalitionspolitiker warnten jedoch davor, das Thema zu forcieren. „Das führt in die Irre und kann den gesamten Prozess gefährden“, sagte Gert Weisskirchen, außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, dem Tagesspiegel. „Wir müssen einen Prozess initiieren, in dem alle Atomwaffen wegverhandelt werden.“ Dabei dürfe man nicht unilateral handeln und damit dem „eigenen egoistischen, nationalen Interesse“ den Weg bereiten. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz (CDU), warnte davor, „den Amerikanern in dieser Sache Vorschriften zu machen oder sie unter Druck zu setzen“. Es sei im deutschen Interesse, dass weiterhin US-Truppen in Europa stationiert seien. „Die Amerikaner müssen selbst entscheiden, wie sie ihre Truppen schützen wollen.“ 

Dagegen sagte Winfried Nachtwei, sicherheitspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, die Bundesregierung dürfe sich „nicht hinter den Amerikanern verstecken“. So sei es eine aktive Entscheidung, ob die Bundeswehr mit ihren Tornados den Abwurf von Nuklearwaffen probe. Zuvor hatten sich der FDP-Chef Guido Westerwelle sowie die Linkspartei für einen Abzug der Atomwaffen ausgesprochen.

Zu Zeiten des Kalten Krieges gab es sie zu Tausenden, heute lagern in Deutschland noch etwa 20 nukleare Bomben vom Typ B-61. Sie befinden sich beim Jagdbombergeschwader 33 in Büchel (Eifel) und sind für den Einsatz durch deutsche Luftwaffen-Tornados vorgesehen. Piloten des Geschwaders trainieren ihren Einsatz im Frieden, um während eines Krieges – nach Freigabe durch den US-Präsidenten – im Rahmen der „nuklearen Teilhabe“ der Nato Nuklearwaffen einsetzen zu können. Alle anderen Kernwaffen wurden mittlerweile aus Deutschland abgezogen, auch jene B-61-Bomben, die für die US-Luftwaffe vorgesehen waren. Ihr Abzug spiegelt die Erkenntnis, dass taktische oder substrategische Atomwaffen in Mitteleuropa aus militärischen Gründen nicht mehr gebraucht werden. Sie erfüllen keinen militärischen Zweck mehr, sondern haben vor allem politische Bedeutung. Auf diese verweisen die Befürworter des Verbleibs dieser Waffen. Sie sitzen in der CDU und im Verteidigungsministerium. Die US-Nuklearwaffen in Deutschland seien Ausdruck der Bereitschaft Deutschlands, einen fairen Anteil an den Risiken, Lasten und Verantwortlichkeiten der nuklearen Abschreckung der Nato zu tragen. Die nukleare Teilhabe stelle sicher, dass die Abschreckung für das Bündnisgebiet einheitlich gelte.

In Washington sieht man das anders. Schon als Nato-Oberbefehlshaber befürwortete der Sicherheitsberater Barack Obamas, James Jones, einen vollständigen Abzug aller Atomwaffen aus Europa. Die Abschreckung könne auch durch die britischen und amerikanischen Atom-U-Boote mit atomaren Langstreckenwaffen gewährleistet werden. Alle Nato-Staaten haben zudem das Recht zur Mitwirkung in den nuklearen Strukturen und an den entsprechenden Entscheidungen der Allianz. Durch die nukleare Teilhabe wird die Nato weder in eine Zweiklassengesellschaft hinsichtlich der nuklearen Mitspracherechte noch in Zonen unterschiedlicher Sicherheit aufgeteilt.

Die Bundesregierung kann durch die Abrüstungsinitiative Obamas auf zwei Wegen unter Druck geraten. Zum einen muss Berlin den Eindruck vermeiden, als Abrüstungsgegner dazustehen, der allein oder mit anderen Nato-Ländern darauf beharrt, dass US-Nuklearwaffen in Europa verbleiben. Zum anderen muss die Bundesregierung sich auf die Möglichkeit vorbereiten, dass Washington und Moskau künftig nicht nur die Zahl ihrer strategischen Langstreckenwaffen begrenzen, sondern auch über die Abrüstung nicht-strategischer Nuklearwaffen verhandeln. In dem Fall ist damit zu rechnen, dass die USA ihre Nato-Partner auffordern, dem Abzug aller Atomwaffen aus Europa zuzustimmen.

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