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Abrüstungsabkommen: Freunde und Geister

Obama und Medwedew unterzeichnen ihren Abrüstungsvertrag – ratifiziert ist er damit noch lange nicht.

Die Kulisse war prächtig gewählt: 50 Meter lang ist der Spanische Saal auf der Prager Burg, der üppigste Repräsentationsraum des Landes. Gewienert ist das Parkett auf dem Boden, an der Decke prangen Stuckverzierungen, und dutzende goldene Lüster beleuchten die Szenerie. Vorne stehen die zwei mächtigsten Männer der Welt, US-Präsident Barack Obama und sein russischer Amtskollege Dmitri Medwedew. Gemeinsam unterschreiben sie hier jenen nuklearen Abrüstungsvertrag, der nach dem Willen Obamas als wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu einer friedlichen Welt in die Geschichte eingehen soll.

„Ich glaube, dass wir die Mentalität aus der Zeit des Kalten Krieges weiter hinter uns lassen“, sagte Barack Obama. In seiner Ansprache betonte er, dass er es mit seiner Vision von einer Welt ohne Atomwaffen ernst meine. Solange es allerdings Staaten gebe, die im Besitz von Atombomben seien, werde auch Amerika nicht ganz auf diese Waffen verzichten.

Der russische Präsident Medwedew versprach, das Abkommen öffne ein neues Kapitel in der Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern. Nach Auffassung von Sicherheitsexperten verfügen die USA und Russland gemeinsam über bis zu 95 Prozent aller strategischen und taktischen Atomwaffen.

Demonstrativ betonten Obama und Medwedew ihre Freundschaft. Eine geschlagene Stunde nahmen sie sich Zeit, um die Fragen der über tausend Journalisten aus aller Welt zu beantworten – an einem Stehpult vor einer ganzen Phalanx von russischen und amerikanischen Flaggen. Als Zeremonie der Freundschaft haben sie den Gipfel inszeniert, und entsprechend getragen-feierlich waren die Reden. „Wir haben eine gute persönliche Beziehung – das, wozu man gute Chemie sagt“, lobte Dmitri Medwedew. Und Obama sagte: „Wir haben ein Vertrauen aufgebaut, nicht nur zwischen den Präsidenten, sondern auch zwischen den Parlamenten und den Völkern.“

Der hohe Besuch versetzte die tschechische Hauptstadt in den Ausnahmezustand. Mehr als 5000 Prager Polizisten und ungezählte Geheimdienstspezialisten aus Russland und Amerika verwandelten die Stadt in einen Hochsicherheitstrakt. „Für 24 Stunden sind wir der Nabel der Welt“, jubelte eine große Prager Zeitung.

Und auch die tschechischen Diplomaten zeigten sich geschmeichelt, dass die beiden großen Weltmächte ausgerechnet die tschechische Hauptstadt für die Unterzeichnung des historischen Vertrags gewählt haben. „Das bedeutet, dass Prag wieder ins Zentrum des Geschehens rückt. Das ist für uns natürlich erfreulich“, sagte Premysl Sobotka, der Präsident des tschechischen Senats, schon vor dem Gipfel.

Der neue Abrüstungsvertrag knüpft an das Start-Abkommen an, das die USA und Russland unmittelbar nach dem Ende des Kalten Krieges im Jahr 1991 unterzeichnet haben. Die Zielsetzung damals wie heute ist es, die Zahl der Atomsprengköpfe und der Trägerraketen in beiden Ländern deutlich zu senken. Um etwa ein Drittel soll die Zahl der Sprengköpfe reduziert werden, die Zahl der Trägersysteme sogar um die Hälfte. Nach der Unterzeichnung des Abkommens müssen jetzt noch die russische Duma und der amerikanische Kongress das Papier ratifizieren, damit es in Kraft treten kann.

In der kommenden Woche soll in Washington ein sogenannter Nukleargipfel stattfinden, zu dem rund 40 Staats- und Regierungschefs erwartet werden. Dabei soll an besseren Mechanismen gearbeitet werden, damit radioaktives Material nicht in die Hände von Terroristen fällt. Dank des Start-Nachfolgevertrages aus Prag kommt Obama als Gastgeber nicht mit leeren Händen – dass er den guten Willen der Großmächte belegen kann, gilt als Voraussetzung für einen erfolgreichen Verlauf der Gespräche.

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