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Heidemarie Wieczorek-Zeul

© dpa

Abschied aus dem Bundestag: Heidemarie Wieczorek-Zeul

Von der "Roten Heidi" ist nur der leuchtende Haarschopf bis heute geblieben. Seit Jahren ist die gelernte Lehrerin unter ihrem Kürzel bekannter. HWZ, die erste Frau, die die Jusos führte, die 1979 ins erste direkt gewählte Europaparlament einzog, war seit 1987 Mitglied des Bundestags. Die heute 70-jährige amtierte - erst unter Schröder, dann unter Merkel - elf Jahre lang als Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Jetzt geht es zurück  nach Wiesbaden, die Stadt, die sie 35 Jahre lang in Bonn und Berlin vertrat.

"In 26 Jahren habe ich natürlich viele historische Höhepunkte miterlebt, die Entscheidungen zur Deutschen Einheit als wichtigste.

Mein eigenes Engagement während meiner Zeit als europapolitische Sprecherin  der SPD zu Zeiten der Kohl-Regierung war vor allem auf die Verwirklichung einer funktionsfähigen Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion gerichtet. Wer von der Gestaltung der Globalisierung sprach, konnte vom Euro nicht schweigen.

Wir drängten auf die Politische Union und eine europäische Sozial- und Umweltunion. Helmut Kohl hatte diese aber im Maastricht-Vertrag nicht durchgesetzt.

Völlig klar war, dass der mit 2/3-Mehrheit im Bundestag und Bundesrat zu ratifizierende Vertrag trotz der von uns deutlich kritisierten Mängel 1992 – 2 Jahre nach der Verwirklichung der Deutschen Einheit – nicht scheitern durfte. Im Sonderausschuss, der diese Ratifikation vorbereitete, verankerten wir – Günter Verheugen als Vorsitzender und ich als SPD-Sprecherin – das Gesetz zur Stärkung der Rechte des Bundestages und den notwendigen neuen Artikel 23 GG. Sonst wäre der Maastricht-Vertrag bereits im Verfassungsgericht gescheitert. Spätestens seit der Finanzkrise 2008/2009 ist aber jedem klar, dass genau an den kritischen Stellen nachverhandelt werden muss. Meine tiefe Sorge ist, dass die jetzige Bundesregierung mit ihrer marktradikalen Politik die großen Chancen der Europäischen Union verspielt.

Als Abgeordnete des Wahlkreises Wiesbaden und als Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung während der Regierungszeit von Gerhard Schröder stand natürlich die Gestaltung von Entwicklungspolitik als eine Politik zur sozialen und ökologischen gerechten Gestaltung der Globalisierung im Mittelpunkt.

Hier sind vor allem die Fortschritte bei der Bekämpfung der extremen Armut in den Entwicklungsländern mit den Milleniumsentwicklungszielen zu nennen, aber auch die Schaffung des Globalen Fonds zur Bekämpfung von HIV/Aids, Malaria und Tuberkulose. Dieser Fond, den wir zusammen mit Kofi Annan geschaffen und finanziert haben, hat bis jetzt immerhin 9 Millionen Menschen das Leben gerettet! Und manchmal half mir auch ein Telefonanruf des damaligen UN-Generalsekretärs Kofi Annan beim Bundeskanzler, die benötigten Finanzmittel zu steigern.

Und natürlich: Unser Nein zum Irak-Krieg im Jahre 2002/2003, der sich am 20. März zum 10. Mal jährte. Ich bin stolz, der Regierung angehört zu haben, die diesen Krieg verhindern wollte, die sich ihm entgegenstellte und die mit anderen im UN-Sicherheitsrat die Legitimierung dieses völkerrechtswidrigen Krieges von George W. Bush verhindern half.

Ich habe diesen völkerrechtswidrigen Präventivkrieg mit großer Überzeugung abgelehnt.

Unabhängig davon habe ich als Entwicklungsministerin in der Frage von möglichem militärischen Eingreifen meine frühere ablehnende Position der 70er und 80er Jahre geändert. Zur Verhinderung von Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit muß auch militärisch eingegriffen werden. Da gilt die Responsibility to Protect. Das habe ich auch am Beispiel Libyen von der Bundesregierung gefordert.

Ich bleibe selbstverständlich weiter politisch aktiv. Politisches Engagement ist ja nicht vom Mandat abhängig.

Ich hoffe, dass der nächste Bundestag endlich ein parlamentarisches Gremium schafft, das Waffenexportentscheidungen der Bundesregierung einer demokratischen öffentlichen Kontrolle unterwirft.

Ich hoffe, dass der Deutsche Bundestag alles tut, um zu erreichen, dass endlich ein eigenständiger lebensfähiger Palästinenserstaat möglich wird.

Ich hoffe, dass endlich eine Finanztransaktionssteuer wirkungsvoll wird, für die ich bereits vor mehr als 10 Jahren zur Finanzierung von Entwicklungszusammenarbeit geworben habe."

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