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Politik: Abschied vom Frieden

Ankara schwenkt auf US-Kurs – und die Nato beginnt zu planen

„Wir waschen unsere Hände in Unschuld“, verkündete der türkische Ministerpräsident Abdullah Gül. „Wir haben uns bis zuletzt für den Frieden eingesetzt, aber jetzt sind unsere Möglichkeiten ausgeschöpft." Monatelang hat sich die Türkei gegen die Rolle gewehrt, die ihr Washington bei einem Angriff auf den Irak zugedacht hat, doch jetzt sieht die Regierung keine andere Wahl – und reiht sich in die Kriegsfront ein. „Wir müssen nun unsere eigenen Interessen wahren, und das werden wir nicht tun können, wenn wir uns heraushalten", erklärte Gül seinen Landsleuten.

Selber nach Bagdad marschieren wollen die Türken bei aller Bündnistreue zu den USA nicht. Die Unterstützung der Türkei für den Angriff auf das Regime von Saddam Hussein wird sich laut Gül darauf beschränken, den US-Truppen die Nutzung türkischer Stützpunkte und den Durchmarsch nach Nordirak zu gestatten. Das türkische Parlament soll die Stationierung von zehntausenden US-Soldaten am 18. Februar absegnen. Am Donnerstag stimmten die Abgeordneten mit deutlicher Mehrheit für die Einreise von US-Spezialisten zum Ausbau der Luftwaffenbasen und Häfen. Bis zu 120 000 türkische Soldaten sollen im Kriegsfall allerdings in den Nordirak einrücken, um eine Massenflucht in die Türkei und eine kurdische Staatsgründung dort zu verhindern.

Zu den türkischen Kriegsvorbereitungen gehört auch die Suche nach Raketensystemen zur Abwehr möglicher irakischer Angriffe. Offenbar ist die Bundesregierung mittlerweile bereit, den Türken Patriot-Luftabwehrraketen zur Verfügung zu stellen. Allerdings würden diese wohl nicht von Bundeswehrsoldaten begleitet und bedient werden.

Die Verlegung solcher Raketen dürfte auch Teil der Nato-Planungen sein, die von Montag an laufen sollen, wenn keines der Mitgliedsländer widerspricht. Wie diese Pläne konkret aussehen könnten, verschwieg Nato-Generalsekretär Lord Robertson bei seiner ungewöhnlich kurzen, fast militärisch knappen Stellungnahme. Er habe eine ,,Liste von Maßnahmen zum Schutz der Türkei" zusammengestellt, sagte Robertson, die jetzt gebilligt worden sei. Er fügte hinzu: ,,Die Meinungsunterschiede, über die wir im Nato-Rat diskutiert haben, haben sich nicht auf den Inhalt bezogen, sondern nur auf den Zeitplan". In der Liste Robertsons dürfte die Intensivierung der Überwachungsflüge durch Awacs-Flugzeuge auftauchen, in denen auch deutsche Soldaten Dienst tun. Wenn vom ,,Schutz der Türkei" in einem möglichen Irak-Konflikt gesprochen wird, dann ist vermutlich auch die Abwehr von Scud-Raketen gemeint, über die das Regime in Bagdad offenbar noch verfügt. Dazu sind nur die Patriot-Raketen in der Lage. Lediglich die USA und Deutschland besitzen dieses System, das schon im ersten Golfkrieg gegen Saddams Raketen eingesetzt wurde.

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